Ottos Weblog Dezember 2005

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Saturday, December 03, 2005

Der Schlamassel, den wir angerichtet haben

Ein Vorteil der kritischen amerikanischen Medien ist ja, daß sie den Regierenden ein wenig genauer aufs Maul schauen und deren Worte hinterfragen als dies die großen Sender gemeinhin tun. So habe ich bei Alter Net einen Artikel gefunden, der sich mit den Worten des amerikanischen Botschafters im Irak befasst, der sich in Newsweek über den Fortgang des Irak–Abenteuers geäußert hat und bei diesem Gespräch sozusagen nebenbei enthüllt hat, daß die US–Regierung bis vier Monaten keinen dafür Plan hatte, wie man die Truppen wieder aus dem Land herausbekommt. Man hat im Irak eine "Büchse der Pandora" geöffnet und der Artikel fragt denn auch kritisch, warum all’ das, was wir jetzt sehen und erleben, nicht im Vorfeld des Krieges bedacht und in entsprechenden Szenarios durchgespielt worden ist:

"A Pandora’s box has been opened. (…) People need to be clear what the stakes are here. If we were to do a premature withdrawal, there could be a Shia–Sunni war here that could spread beyond Iraq. And you could have Iran backing the Shias and Sunni Arab states backing the Sunnis. You could have a regional war that could go on for a very long time, and affect the security of oil supplies. Terrorists could take over part of this country and expand from here. And given the resources of Iraq, given the technical expertise of its people, it will make Afghanistan look like child’s play. The Mess We’ve Made in Iraq
Es ist für ein Land wie die USA, die als einer der Pole der früheren binären Opposition USA–UDSSR als einzige Supermacht übriggeblieben ist, relativ leicht, einen Krieg zu beginnen und über außenpolitischen Druck auch "Verbündete" zu gewinnen. Nur zeigt es sich wie immer in der Geschichte, daß ein Krieg zwar leicht vom Zaum zu brechen, der Frieden aber nur sehr schwer zurückzugewinnen ist. Es gab genügend kritische Stimmen vor Kriegsbeginn, die nicht nur auf die dünne Beweislage bezüglich der Massenvernichtungswaffen, sondern auch auf die möglichen chaotischen Folgen des Angriffs auf Saddam Hussein hingewiesen haben.

Wednesday, December 07, 2005

Gestern habe ich mir Angie und Condi angesehen, war aber relativ enttäuscht. Mehr als Gemeinplätze waren da nicht zu vernehmen. Es muß aber auch nervig für die Mädels gewesen sein, daß sie sich gleich mit einem höchst unappetitlichen Thema auseinandersetzen mußten, anstatt das erste Treffen der beiden mächtigsten Frauen der Welt gebührend feiern zu können.

Daß die US–Regierung nun "erbost" über Angies Wortwahl ist, die USA hätten im Fall Masri "Fehler eingestanden," macht deutlich, daß es für die Bush–Regierung mit einer konservativen deutschen Bundeskanzlerin nicht unbedingt leichter wird:

Die US–Beamten sagten, sie hätten mit Mitarbeitern Merkels nach der Pressekonferenz darüber gestritten, wie es zu dieser Interpretation kommen konnte. Rice habe keine Fehler im Falle al–Masri zugegeben. Die US–Regierung habe die deutsche Regierung zwar über die Festnahme al–Masris und seine Freilassung informiert, dabei aber nicht von Fehlern gesprochen, sagte der Regierungsbeamte vor Journalisten.

Rice hatte in der Pressekonferenz nicht einmal die Existenz des detailreich belegten Falls von Khalid al–Masri eingestanden. Sie sicherte lediglich zu, "mögliche Fehler" bei den Methoden der CIA zu korrigieren, wenn diese auftreten würden. Merkel dagegen sprach davon, die amerikanische Regierung habe den Fall Masri als "Fehler akzeptiert". Wörtlich sagte Merkel auf die Nachfrage eines amerikanischen Reporters zum Fall al–Masri: "Wir haben über den einen Fall gesprochen, der von der Regierung der Vereinigten Staaten als ein Fehler akzeptiert wurde". Genauso wurde das Zitat wenig später auch auf der Internet–Seite des Bundespresseamts veröffentlicht. — US–Regierung erbost über Merkels Wortwahl

Das wurde dann aber mittlerweile korrigiert und entschärft: Die USA und Deutschland sind enge Partner und Freunde

Monday, December 19, 2005

Wenn man mal einen richtigen Politiker sehen will, der mit vielen Worten nichts oder eigentlich recht wenig sagt, sollte man sich das heutige Interview mit Innenminister Schäuble im Deutschlandfunk durchlesen. Bereits die erste Antwort zum Thema Folter nach der einleitenden Frage des Interviewers enthüllt die Orwellsche Sprache, derer sich der CDU–Mann, der schon zu Kohls Zeiten ein "Spitzenmann" war, von schwarzen Kassen aber nie etwas gewußt haben will, befleißigt. Jetzt will er die Folter damit hoffähig machen, daß er sich dafür ausspricht, durch Folter erlangte Kenntnisse zu nutzen, anstatt für die Folterer einen internationalen Haftbefehl auszustellen, wie es seine Pflicht als oberster Polizist der Republik wäre:

Q.: "Können Sie die Beteiligung deutscher Dienste an Verhören weiterer deutscher Staatsbürger ausschließen, die von den USA oder anderen Staaten im Ausland festgesetzt wurden?"
A.: "Es sind ja zunächst einmal keine Verhöre, sondern es sind Informationsbeschaffungen."

Schäuble verteidigt Äußerungen zu Foltergeständnissen
Es ist eigentlich unglaublich, daß dem Mann bei seiner Lebenserfahrung nicht klar ist, daß Menschen unter der Folter alles sagen, letztlich alles gestehen, was der Folterer hören will. Der Gefolterte wird auch irgendwelche Namen enthüllen, die unter Umständen gar nichts mit Terrorismus zu tun haben, weil er einfach keine Terroristen kennt. Informationen, die auf diese Weise erlangt wurden, sind nicht nur moralisch verwerflich, sondern auch wertlos:
Q.: "Es ist ja nicht auszuschließen, dass an den genannten Orten Gefangene auch gefoltert werden. Wenn deutsche Behörden die Betroffenen vernehmen, mit ihnen sprechen: Profitieren sie dann, selbst, wenn sie nicht über die Behandlungen informiert sind, von solchen Methoden?"
A.: "Sehen Sie, mit der Formulierung "es ist nicht auszuschließen" kann man ziemlich viel im Leben immer in die Welt setzen oder nicht. (…) dass in Guantanamo gefoltert würde, dafür habe ich niemals einigermaßen seriöse Hinweise gehabt. Und wenn eine Möglichkeit besteht, Informationen von Menschen, die zur Zeit in Guantanamo festgehalten werden oder festgehalten wurden, durch Vertreter deutscher Sicherheitsdienste bekommen zu können – im Einvernehmen mit unseren amerikanischen Partnern –, würde ich im Zweifel mich dafür einsetzen, dass das geschieht."
Jeder klar denkende Mensch weiß, daß in Guantanamo gefoltert wird (so wie es vor dem Krieg jedem klar war, daß Bush und Blair gelogen hatten und es im Irak keine Massenvernichtungswaffen gab), nur der deutsche Innenminister will diese offensichtliche Tatsache nicht zur Kenntnis nehmen. Wie die schwarzen Kassen seines ehemaligen Mentors Kohl. Was für Leuten vertrauen wir eigentlich unsere Sicherheit an?

Mehrmals verweist Schäuble auf den Rechtsstaat, den seiner Meinung nach auch die USA darstellen. Dabei ist klar, daß diese Administration foltern läßt, um Informationen zu erlangen, die dazu nützen können, einen Angriffskrieg vom Zaum zu brechen. So wie das Verhör des Lybiers Ibn al-Shaykh al-Libi, den die Amerianer den Ägyptern zum Verhör übergeben haben, um dann aufgrund dessen "Aussagen" zu der Folgerung zu gelangen, daß es Verbindungen Saddam Husseins zu Osama bin Laden gab, was, wie wir jetzt wissen, kompletter Bullshit ist:

"So, one must not jump to the conclusion correctly claimed by most experts on the subject that torture doesn't work just because it yields mostly false results from prisoners who want the torture to stop. In the case of al-Libi, torture worked splendidly to produce exactly the critical false evidence that the president needed to make his case for war."
Robert Scheer: Human Rights, Rendered Meaningless

Tuesday, December 20, 2005

Die Bürger des eigenen Landes zu bespitzeln, ist nach der US–Verfassung eigentlich verboten. Präsident Bush tut es dennoch. Dabei sollte er, wie der Verfasser eines Kommentars bei Alter Net meint, als trockener Alkoholiker doch eigentlich wissen: Einer ist zuviel und tausend sind nicht genug!

"If Bush wants to know where domestic spying leads, he should read some of the millions of files the East German Stasi compiled on its own citizens. There is something George W. Bush should understand, being that he’s a dry drunk; one is too many and a thousand never enough."
Stephen Pizzo: Spying and Torture: Don’t Go There

Thursday, December 29, 2005

"Deutschland ist schön – Wir gucken nur in die falsche Richtung"

Der Trainer von Schalke 04 entdeckt in Bagdad einen 17-jährigen irakischen Fußballgott und kann den jungen Mann überreden, mit nach Deutschland zu kommen. Der neue Spieler übertrifft die schönsten Erwartungen und schießt im entscheidenden Spiel das entscheidende Tor. Überglücklich ruft er seine Mutter an: »Was für ein herrlicher Tag! Ich habe den Sieg geholt!« – »Wunderbar, dass es dir so gut geht«, antwortet die Mutter sarkastisch, »lass dir erzählen, wie unser Tag aussah. Dein Vater wurde auf offener Straße erschossen, deine Schwester und ich wurden fast vergewaltigt, und dein kleiner Bruder ist jetzt Mitglied einer Straßengang.« – »Wie entsetzlich!«, jammert der Fußballer, »wie furchtbar! Das tut mir so leid…« – »Es tut dir leid?!«, fährt die Mutter aufgebracht dazwischen. »Es ist doch deine Schuld, dass wir jetzt in Gelsenkirchen wohnen!«
Stimmung: Viel Spaß dabei – Von Susanne Gaschke

King Kong – Mothers of Invention — Video 10,121K. Recorded live at the BBC in 1968. This is ten minutes of Frank Zappa at his very best, highly recommended.

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