Ottos Weblog August 2005

Index
2004: Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember
2005: Januar Februar März April Mai Juni Juli September Oktober November Dezember
2006: Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember

Friday, 05Thursday, 18Monday, 22


Friday, August 05, 2005

Vorbeuge– oder Schutzhaft?

Bundesinnenminister Otto Schily , ehemals Grüner, von dem man kaum noch weiss, ob er noch in der SPD oder nicht schon längst Mitglied einer konservativen Partei ist, hat mit seinem umstrittenen Vorschlag, Menschen, die in Verdacht geraten sind, den islamistischen Terror zu unterstützen, in Vorbeugehaft zu nehmen, auch wenn noch keine konkreten Verdachtsmomente vorliegen, für einen ziemlichen Wirbel gesorgt. Daß sein bayrischer Kollege Beckstein die Idee gut findet und die Vorbeugehaft nach einem möglichen Wahlsieg der Union im September einführen möchte, ist ja klar. Beckstein und Schily waren sich in letzter Zeit überdies verdächtig häufig einig in Sicherheitsfragen, so daß man sich vielleicht fragen müßte, ob dieser Job des Innenministers automatisch zu einem blinden Fleck in Bezug auf das Grundgesetz führt.

Ströbeles Wahlplakat Gar nicht verwunderlich ist natürlich, daß ausgerechnet Schilys alter Anwaltskollege Hans–Christian Ströbele zu den schärfsten Kritikern einer solchen Maßnahme zählt. Die beiden Alt–Achtundsechziger und ehemaligen Anwälte der RAF–Angeklagten in den Terrorprozessen der siebziger Jahre haben doch ganz unterschiedliche Entwicklungen durchgemacht. Während Ströbele seiner grundsätzlichen Linie mehr oder weniger treu geblieben ist und als linker Grüner einzuordnen ist, der sich für weniger Gesetze und mehr individuelle Freiheit einsetzt, denkt sich Schily, anscheinend unter dem Eindruck seiner Besuche in den USA ein "Sicherheitspaket" nach dem anderen aus und jetzt kommt er mit einem präventiven Freiheitsentzug daher. Man kann in der Tat kaum noch einen Unterschied zwischen ihm und Beckstein erkennen. Für einen Anwalt, der früher einmal unsere heimischen Terroristen verteidigt hat, ist das wirklich ein ganz erheblicher Wandel. Was hätte er wohl seinerzeit während er Prozesse gegen Gudrun Ensslin und die anderen RAF–Angehörigen gesagt, wenn er und Ströbele durch eine solche Vorbeugehaft aus dem Verkehr gezogen worden wären. Ströbele wurde 1982 immerhin "wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten auf Bewährung verurteilt." (Wikipedia) — So ganz abwegig ist meine Frage also wohl nicht.

Ströbele aber ist nicht der Einzige, der Kritik äußert. Aber auch aus Reihen der FDP kommt eine Stimme, die Ströbele recht gibt und seiner Argumentation folgt:

Parallelen zur Nazi-Zeit zogen Grünen-Fraktionsvize Ströbele und der Altliberale Hirsch. Ströbele verglich im ZDF Schilys Vorschlag mit der von den Nazis verhängten «Schutzhaft». Hirsch sagte im Rundfunksender RBB: Mit einer polizeilichen Sicherungshaft «hat man schon mal Konzentrationslager begründet». Streit über Schilys Idee einer Sicherungshaft
Ist natürlicher immer starker Tobak, so ein Nazivergleich, und fast immer historisch falsch und der Sache, um die es aktuell geht, zumeist völlig unangemessen. Was aber, wenn der historische Vergleich nur deswegen schief ist, weil wir eben nicht in einer Diktatur leben? Dann bleibt immer noch die Frage, ob der bürgerliche Rechtsstaat ein solcher bleibt, wenn er seine eigene Fundamente aus einer diffusen Terrorangst heraus erodiert und ob eine Sicherungshaft dazu geeignet ist, dies zu bewerkstelligen, oder ob sie nicht ein notwendiges Mittel zur Terrorbekämpfung ist, das, unter den Beschränkungen des Rechtsstaates ausgeübt, den nicht betroffenen Bürger überhaupt nicht berührt, sondern seine Sicherheit vor Terroranschlägen erhöht?

Was jedoch unklar zu sein scheint, ist die Frage, wo die Grenze zwischen "Erkenntnissen" der Polizei oder der Geheimdienste, die noch kein Ermittlungsverfahren rechtfertigen und solchen, die ein Verfahren (und damit die richterliche Anordnung von Untersuchungshaft) nach sich ziehen, genau liegt. Wenn es "Erkenntnisse" gibt, daß eine bestimmte Person in die Vorbereitung von Terroranschlägen verstrickt ist, sollte doch in jedem Fall eine Ermittlung beginnen und wenn es im Rahmen dieser zu der Erkenntnis kommt, daß ein Anschlag hier oder anderswo bevorstehen könnte, erlaubt unser bestehendes Recht doch die Verhaftung dieser Person.

Insofern, und so sehen das zum Glück auch andere Politiker, gibt es gar keinen Bedarf für eine solche präventive Haft.

Eine ganz tolle Webseite ist Gizoogle , eine Google—Parodie, mit der man englische Texte in das neue "schwarze" Amerikanisch übersetzen kann, das man aus Rap und Hiphop kennt. Hier die Übersetzung des Anfangs von Thomas Pynchons Roman Gravity’s Rainbow (1973):

A rhymin’ comes across tha sky. It has happened before, but there is nuttin’ ta compare it ta now n’ shit.

It is too late . Wussup to all my niggaz in the house.
The Evacuation stiznill proceeds, but it’s all theatre. There is no lights inside tha cars fo shizzle. No light anywhere like old skool shit. Above him lift girda old as an iron queen, n glass somewhere far above tizzle would let tha light of day through.
But It’s night fo shizzle. He’s fo shizzle. afraid of tha way tha glass wizzy fall soon, it will be a spectacle . One, two three and to tha four: tha fall of a crystal palace. But com’n down in total blackout, witout one glizzay of light, only bootylicious invisible perpetratin’. Yippie yo, you can’t see my flow.

Inside tha carriage, which is built on several levels, he sits in velveteen darkness, wit nuttin’ ta smoke, feel’n metal bitch n killa rub n connect, steam ballin’ in puffs, a vibration in tha carriage’s frame, a pois’n, an uneasiness, all tha brotha pressed in around, feeble ones, second sheep, all out of luck n time: drunks, old veterans S–T–to–tha–izzill in shizzay fizzle ordnance 20 years obsolete, pimp in city clothes, derelicts, exhausted bitchez wit more children thiznen it seems could belong ta anyone, stacked ‘bout among tha R–to–tha–izzest of tha bustin’a be carried out ta salvation. Slap your mutha fuckin self. Only tha drug deala faces is visible at all, n at that only as half–silvered images in a vizzy gangsta green–stained VIP faces remembered through bulletproof windows speed’n through tha city n shit. droppin hits. fo shizzle.

They have begun ta move. Tizzle pass in line, out of tha main station out of downtown, n begin ridin’ into drug deala n more desolate parts of tha city and yo momma. Is this tha way out? Faces turn ta tha windows, but no one dares ask, not out loud. Rain comes dizzy.
No, this is not a disentanglizzles from, but a progressive knott’n into they go in unda archways, secret entrances of rotted concrete that only looked like loops of an underpass. One, two three and to tha four. . They call me tha black folks president. . .
certain trestles of blackened wood have moved slowly by overheezee, n tha smells begun of coal F–R–to–tha–izzom days far ta tha piznast, smells of naphtha brotha of Sundays wizzle no traffic came through, of tha coral–like n mysteriously vital growth, around tha blind curves n out tha lonely spurs, a sour S–M–to–tha–izzell of roll’n–stock absence, of dippin’ rizzust, trippin’ through those empty’n days brilliant n deep, especially at D–to–tha–izzawn, wit bizzy shadows ta seal its passage, ta try ta bring events ta Absolute Zero . . .
Keep the party crackin while I’m steady rappin’. fo shizzle. n it is poora tha crazy ass nigga they go. like this and like that and like this and uh. cuz Im tha Double O G. ruinous secret hoodz of poor, places whose names he has playa heard . . . tha walls break diznown, tha roofs git fewa n so do tha chances fo’ light n shit.
— provided by Dave Monroe

Thursday, August 18, 2005

Es ist schon ein denkwürdiger halber Monat, der da hinter uns liegt. Da hatte man schon geglaubt, die Union würde den sicheren Vorsprung durch vorlautes Poltern aus Bayern verspielen, da stellt sich heraus, daß Ostbashing anscheinend genau das Richtige ist, um bei den Unentschlossenen und Wechselwählern zu punkten. Jedenfalls stabilisiert sich die CDU in den Umfragen, anstatt wegen des ganzen Wirbels um Stoibers Äußerungen zu verlieren, und die neue Linkspartei verliert daraufhin an Zuspruch. Das sagt ja einiges über die Volksseele aus, wenn da jemand mit solchen Sprüchen und Aktionen punkten kann.

Fassen wir also zusammen: gut die Hälfte der Deutschen ist ausländerfeindlich, stramm rechts und würde Zonengrenze und Mauer am liebsten wieder aufbauen. Na klasse! Die Frage ist nur, wohin wandert man nach dem 18. September aus?

Monday, August 22, 2005

Endlich ist der Papst wieder weg. Der ganze Rummel war ja unerträglich und kaum der Stellung eines Papstes angemessen, der lediglich der Leiter der katholischen Kirche, einer zugegeben recht grossen Sekte ist, in Köln aber wie das goldene Kalb präsentiert worden ist. Diese ganze verblendeten jungen Leute, die Ratzinger wie einen Jimi Hendrix gefeiert haben und sich einen Dreck um die Inhalte scheren, für die der alte Mann steht, tun mir wirklich leid, wenn sie den Besuch eines Greises brauchen, um mal so richtig abzufeiern. Der Gipfel des Widerspruches aber ist die Tatsache, das während des Weltjugendtages sogar Kondome verteilt worden sind, obwohl die Führung aus Rom dies eigentlich verbietet.

Und was tun grosse Teile der Presse? Sie bejubeln den ganzen Quatsch auch noch, anstatt den Fundamentalismus zu beklagen und anzuprangern. Der Papst sei von den Menschen "angenommen worden," als wenn es eine Möglichkeit für diese gegeben hätte, ihn abzulehnen. "Köln war ein einziger großer Gottesdienst" — nach den Eindrücken, die ich aus der Berichterstattung gewonnen habe, war es eher ein ziemlich grosses Chaos.

Auf jeden Fall hat kein Pfingstwunder stattgefunden. Ratzinger hat sich als der alte konservative Haßprediger präsentiert, der er nun einmal ist. Die Protestanten sieht er lediglich als 'kirchliche Vereinigung', den Muslimen hat er eine Standpauke wegen des Terrors gehalten und die Synagoge hat er wohl nur deshalb besucht, weil dies in Deutschland opportun ist. Da tut ein Kommentar wie der folgende gut:

Man müsse festhalten, wem der Jubel der Jugendlichen eigentlich gelte, schreibt der TAGES–ANZEIGER aus der Schweiz: "Einem Mann, der Abtreibung und Kondom ablehnt, der vorehelichen Sex und Homo–Ehen bekämpft und der die evangelischen Kirchen für keine Kirchen hält und der die Glaubensnot in Europa viel häufiger zum Thema macht als den Hunger in der Dritten Welt. Einem Geistlichen auch, der den Jugendtag-Besuchern, sofern sie an seinen Messen teilnahmen, den vollkommenen Ablass versprach. Das sind kaum Inhalte, mit denen man die Jugend von heute begeistert. In der Postmoderne lässt sich aber offenbar auch ein vormoderner Glaube als Heilsbotschaft verkaufen. Oder geht es gar nicht um Glauben? Ist der Weltjugendtag bloss Happening mit hohem Spaßfaktor, der die Inhalte überstrahlt?", fragt der TAGES-ANZEIGER aus Zürich.
DLF–Presseschau
Ich sage ja, das Ganze macht überhaupt keinen Sinn! Stop Making Sense!

Search this site or the web powered by FreeFind

Site search Web search

Index Januar Februar März April Mai Juni Juli September Oktober November Dezember

No Responsibility for Links
comments are appreciated
© Otto Sell August 2005

Douglas Adams John Barth Samuel Beckett John Bunyan William Gaddis I. Jefremow Wassily Kandinsky Douglas K. Lannark Stanislaw Lem Bert Brecht: Laotse David Mitchell Vladimir Nabokov Victor Pelewin Thomas Pynchon Salman Rushdie J. D. Salinger Neal Stephenson Laurence Sterne Arkadi und Boris Strugatzki William Carlos Williams Ludwig Wittgenstein Frank Zappa

WebLinks: Astro–Literatur Comics Downloads Esoterics Galerie Die Genesis Haikus Homepages Humor Jump Literatur Links Lyrics The Magazine of Fantasy and Science Fiction Die Milchstrasse Musik Links News Oldenburg@OL Philosophie Playlist Poesie Postmodernism Rebeccas Seite Science Fiction Short Stories Space Space Links Suchmaschinen Zeitarchiv Zitate Impressum Home Mail Gästebuch Seitenanfang

WEBCounter by GOWEB
created with Arachnophilia

Miro Web look at The Wayback Machine for dead links Windows Commander monitored by