Ottos Weblog August 2005Index2004: Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember 2005: Januar Februar März April Mai Juni Juli September Oktober November Dezember 2006: Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember |
Friday, August 05, 2005
Vorbeuge oder Schutzhaft?
Bundesinnenminister
Otto Schily
, ehemals Grüner, von dem man kaum noch weiss, ob er noch in der SPD
oder nicht schon längst Mitglied einer konservativen Partei ist, hat mit
seinem umstrittenen Vorschlag, Menschen, die in Verdacht geraten sind, den
islamistischen Terror zu unterstützen, in Vorbeugehaft zu nehmen, auch
wenn noch keine konkreten Verdachtsmomente vorliegen, für einen ziemlichen
Wirbel gesorgt. Daß sein bayrischer Kollege
Beckstein
die Idee gut findet und die Vorbeugehaft nach einem möglichen Wahlsieg der
Union im September einführen möchte, ist ja klar. Beckstein und
Schily waren sich in letzter Zeit überdies verdächtig häufig
einig in Sicherheitsfragen, so daß man sich vielleicht fragen
müßte, ob dieser Job des Innenministers automatisch zu einem blinden
Fleck in Bezug auf das Grundgesetz führt.
Ströbele aber ist nicht der Einzige, der Kritik äußert. Aber
auch aus Reihen der FDP kommt eine Stimme, die Ströbele recht gibt und
seiner Argumentation folgt:
Was jedoch unklar zu sein scheint, ist die Frage, wo die Grenze zwischen
"Erkenntnissen" der Polizei oder der Geheimdienste, die noch kein
Ermittlungsverfahren rechtfertigen und solchen, die ein Verfahren (und damit
die richterliche Anordnung von Untersuchungshaft) nach sich ziehen, genau
liegt. Wenn es "Erkenntnisse" gibt, daß eine bestimmte Person in die
Vorbereitung von Terroranschlägen verstrickt ist, sollte doch in jedem
Fall eine Ermittlung beginnen und wenn es im Rahmen dieser zu der Erkenntnis
kommt, daß ein Anschlag hier oder anderswo bevorstehen könnte,
erlaubt unser bestehendes Recht doch die Verhaftung dieser Person.
Insofern, und so sehen das zum Glück auch andere Politiker, gibt es gar
keinen Bedarf für eine solche präventive Haft.
Eine ganz tolle Webseite ist Gizoogle , eine GoogleParodie, mit der man englische Texte in das neue "schwarze" Amerikanisch übersetzen kann, das man aus Rap und Hiphop kennt. Hier die Übersetzung des Anfangs von Thomas Pynchons Roman Gravitys Rainbow (1973): A rhymin comes across tha sky. It has happened before, but there is nuttin ta compare it ta now n shit.
Es ist schon ein denkwürdiger halber Monat, der da hinter uns liegt. Da hatte man schon geglaubt, die Union würde den sicheren Vorsprung durch vorlautes Poltern aus Bayern verspielen, da stellt sich heraus, daß Ostbashing anscheinend genau das Richtige ist, um bei den Unentschlossenen und Wechselwählern zu punkten. Jedenfalls stabilisiert sich die CDU in den Umfragen, anstatt wegen des ganzen Wirbels um Stoibers Äußerungen zu verlieren, und die neue Linkspartei verliert daraufhin an Zuspruch. Das sagt ja einiges über die Volksseele aus, wenn da jemand mit solchen Sprüchen und Aktionen punkten kann. Fassen wir also zusammen: gut die Hälfte der Deutschen ist ausländerfeindlich, stramm rechts und würde Zonengrenze und Mauer am liebsten wieder aufbauen. Na klasse! Die Frage ist nur, wohin wandert man nach dem 18. September aus?
Endlich ist der Papst wieder weg. Der ganze Rummel war ja unerträglich und kaum der Stellung eines Papstes angemessen, der lediglich der Leiter der katholischen Kirche, einer zugegeben recht grossen Sekte ist, in Köln aber wie das goldene Kalb präsentiert worden ist. Diese ganze verblendeten jungen Leute, die Ratzinger wie einen Jimi Hendrix gefeiert haben und sich einen Dreck um die Inhalte scheren, für die der alte Mann steht, tun mir wirklich leid, wenn sie den Besuch eines Greises brauchen, um mal so richtig abzufeiern. Der Gipfel des Widerspruches aber ist die Tatsache, das während des Weltjugendtages sogar Kondome verteilt worden sind, obwohl die Führung aus Rom dies eigentlich verbietet. Und was tun grosse Teile der Presse? Sie bejubeln den ganzen Quatsch auch noch, anstatt den Fundamentalismus zu beklagen und anzuprangern. Der Papst sei von den Menschen "angenommen worden," als wenn es eine Möglichkeit für diese gegeben hätte, ihn abzulehnen. "Köln war ein einziger großer Gottesdienst" nach den Eindrücken, die ich aus der Berichterstattung gewonnen habe, war es eher ein ziemlich grosses Chaos. Auf jeden Fall hat kein Pfingstwunder stattgefunden. Ratzinger hat sich als der alte konservative Haßprediger präsentiert, der er nun einmal ist. Die Protestanten sieht er lediglich als 'kirchliche Vereinigung', den Muslimen hat er eine Standpauke wegen des Terrors gehalten und die Synagoge hat er wohl nur deshalb besucht, weil dies in Deutschland opportun ist. Da tut ein Kommentar wie der folgende gut: Man müsse festhalten, wem der Jubel der Jugendlichen eigentlich gelte, schreibt der TAGESANZEIGER aus der Schweiz: "Einem Mann, der Abtreibung und Kondom ablehnt, der vorehelichen Sex und HomoEhen bekämpft und der die evangelischen Kirchen für keine Kirchen hält und der die Glaubensnot in Europa viel häufiger zum Thema macht als den Hunger in der Dritten Welt. Einem Geistlichen auch, der den Jugendtag-Besuchern, sofern sie an seinen Messen teilnahmen, den vollkommenen Ablass versprach. Das sind kaum Inhalte, mit denen man die Jugend von heute begeistert. In der Postmoderne lässt sich aber offenbar auch ein vormoderner Glaube als Heilsbotschaft verkaufen. Oder geht es gar nicht um Glauben? Ist der Weltjugendtag bloss Happening mit hohem Spaßfaktor, der die Inhalte überstrahlt?", fragt der TAGES-ANZEIGER aus Zürich.Ich sage ja, das Ganze macht überhaupt keinen Sinn! Stop Making Sense!
comments are appreciated © Otto Sell August 2005 |