Ottos Weblog Februar 2005Index2004: Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember 2005: Januar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember 2006: Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Wednesday, 02 Wednesday, 09 Thursday, 10 Saturday, 12 Tuesday, 15 Wednesday, 16 Saturday, 19 |
Wednesday, February 02, 2005
Man kann über George W. Bush manchmal nur den Kopf schütteln, so wie das die Weltpresse heute tut, weil er mit seiner Weigerung, den Internationalen Gerichtshof in Den Haag anzuerkennen, den Machthabern im Sudan weiterhin gestattet, mit dem Morden fortzufahren. Obwohl der Präsident die Vorgänge in Darfur selbst als Völkermord bezeichnet hat, kann er aus Angst, der Gerichtshof könnte irgendwann einmal US-amerikanische Soldaten oder Agenten der CIA vor Gericht stellen, nicht zulassen, daß eine entsprechende UNResolution zustande kommt, die den Fall an den Internationalen Gerichtshof verweist und die sudanesische Regierung mit Strafe bedroht. Das findet sogar die NEW YORK TIMES: Mr. Bushs worry is that if the International Criminal Court is legitimized, American officials could someday be dragged before it. The courts supporters counter that safeguards make that impossible. Reasonable people can differ about the court, but for Mr. Bush to put his ideological opposition to it over the welfare of the 10,000 people still dying every month in Darfur thats just madness.Als Europäer darf man es ja gar nicht so scharf formulieren, sonst gilt man gleich wieder als antiamerikanisch. Aber ganz normal ist diese Paranoia nicht, oder der Mann will nicht ausschliessen, daß es in Zukunft notwendig sein könnte, das Völkerrecht unter Umständen zugunsten der Staatsraison zu brechen. Wenn es der USRegierung nicht gelingt, andere Mitglieder des Sicherheitsrates dazu zu bringen, ebenfalls gegen die Resolution zu stimmen, wird die Resolution vielleicht durchgehen, so folgert Kristof aufgrund seiner Gepräche mit Diplomaten, weil Bush wahrscheinlich den Prestigeverlust vermeiden will, der dadurch entstehen würde, daß die USA als einziges Land gegen eine überwältigende Mehrheit in der Staatengemeinschaft von ihrem Vetorecht Gebrauch macht. Die USA könnten sich allerdings auch bei der Abstimmung ohne Gesichtsverlust der Stimme enthalten,. Dann würden sie die Strafverfolgung nicht behindern, ihrerseits den Gerichtshof aber auch nicht anerkennen: The Bush administration is also struggling to find other Security Council members who would join it in voting against the referral to the International Criminal Court. I hope other countries stand firm, because my conversations with diplomats suggest that if the U.S. stood alone in opposition, the Bush administration would be too ashamed to exercise its veto and might abstain instead.
Der heutige Eintrag widmet sich einer genialen Webseite, die sich dem kreativen
Umgang mit Sprache widmet, der
"Gesellschaft zur Stärkung der Verben,"
wo mir am besten die "Haikos" und "Haikous" gefallen haben. Hier ein paar
Beispiele:
Schliff schärfer ich
Assimilören
Unsere Kinder werden den Asteroiden "2004 MN4," der die Erde am 13. April 2029 in dem relativ geringem Abstand von 36350 Kilometern passieren (und uns nicht treffen) wird, mit bloßem Auge sehen können. Dies berichten verschiedene Quellen heute. Vielleicht machen sich die Menschen dann ja mal Gedanken über die Zerbrechlichkeit unseres Heimatplaneten.
Die Ankündigung der Deutschen Bank, trotz eines Rekordgewinns und einer Steigerung der an die Aktionäre ausgezahlten Dividende in Deutschland und im ausland massive Stellenstreichungen vorzunehmen, hat einen Sturm der Entrüstung ausgelöst, der sich auch beinahe eine Woche nach der Ankündigung nicht gelegt hat. Politiker der Grünen und der SPD haben sogar zu einem Boykott der Deutschen Bank aufgerufen, was als Gegenreaktion die Warnung von Schadenersatzklagen provoziert hat. Ich möchte die Diskussion "bewahren" und habe daher als erstes ein paar Stimmen aus der Presseschau des Deutschlandfunks von Freitag, 04. Februar 2005 07:05 Uhr und Samstag, 05. Februar 2005 07:05 Uhr gesammelt. Zeitungsredakteure und Kommentatoren sind ja keine ausgewiesenen Wirtschaftsfachleute, sonst wären sie bei der Deutschen Bank angestellt und nicht bei einer Zeitung. Aber sie stellen doch ein gewisses "öffentliches Gewissen" dar, wenn es um solche Fragen wie Wirtschaftsethik geht: "Zurück bleibt Ratlosigkeit", konstatiert die OFFENBACH-POST: "War nicht tags zuvor das Hohelied der Reformen gesungen worden als Wundermittel gegen den todkranken Arbeitsmarkt? Was sollen denn neues Steuerrecht, niedrigere Sozialabgaben, flexibleres Tarifrecht, weniger Bürokratie, beschäftigungsfördernde Lohnpolitik, weniger Staatsschulden und Subventionsabbau bewirken, wenn selbst Unternehmen mit Rekordbilanzen Belegschaften nur als Kostenfaktor sehen und entsorgen?" (04.02.05)Ich denke, es sind die richtigen Fragen, die hier gestellt werden, denn niemand wird den einfachen Menschen, die vom sozialen Abbau betroffen sind, den HartzIVOpfern, die mit 345 Euro pro Monat abgespeist werden, dieses wirtschaftliche Handeln noch vermitteln können.
Für die Ankündigung, mehrere tausend Stellen zu streichen, erntet Deutsche-Bank-Chef Ackermann weiterhin zum Teil deutliche Kritik - so auch in den NÜRNBERGER NACHRICHTEN: "Wo Gewinn so ungeniert auf Kosten der Mitarbeiter erwirtschaftet, wo die Rendite des Kapitals und der Shareholdervalue zum Götzen wird, sind die Grenzen des Anstands und der Moral überschritten. Die des Grundgesetzes auch, das in Artikel 14 unmissverständlich fordert: Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Dass Allgemeinheit mehr meint als die Aktionäre, ist gewiss doch das schert einen schrankenlosen Kapitalismus nicht, der Arbeitsplatzvernichtung mit steigenden Aktienkursen belohnt und die Ackermänner und von Pierers als Börsenlieblinge feiert", unterstreichen die NÜRNBERGER NACHRICHTEN. (05.02.05)Ach ja, und dann ist da noch der Hinweis auf das Grundgesetz, das nackten ManchesterKapitalismus mit Artikel 14 verhindern soll. Leider kann niemand aus diesem Artikel ein Klagerecht gegen irgendjemanden ableiten, es ist also nur eine Worthülse.
"Ackermann tut nichts anderes, als die Beschäftigung in einem Land in das Belieben der Finanzmärkte zu stellen", stellt die STUTTGARTER ZEITUNG fest und fährt fort: "Das darf nicht sein, denn die daraus folgende Konsequenz wäre fatal: Die Tarifparteien und die Regierung könnten all ihre Bemühungen einstellen, die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Denn in Ackermanns Welt gibt es keine Jobs, zu deren Sicherung sich etwas beitragen ließe. Er wirft jetzt 6.400 Beschäftigte raus, um sein willkürliches Ziel einer Eigenkapitalrendite von 25 Prozent vor Steuern zu erreichen. Später wird er halt eine Zielmarke von 35 Prozent vorgeben und weitere Stellen streichen", befürchtet die STUTTGARTER ZEITUNG. (05.02.05)Und das ist genau das Problem: es gibt in dieser virtuellen Finanzwelt kein anderes Ziel als die Maximierung der Gewinne. Die Menschen, die die eigentliche Arbeit tun, sind zu puren Kostenfaktoren reduziert worden, über die man beliebig wie über ein Aktienpaket verfügen kann. Das ist in höchstem Maße unethisch und gehört nach unserem Grundgesetz verboten. Da das jedoch angesichts der politischen Verhältnisse in diesem Land aber unmöglich ist, desavouiert das Verhalten der politischen Klasse in unserem Land, die sich ungeniert von der Wirtschaft schmieren läßt, unsere gesamte Werteordnung. Und alle Deutschen haben dagegen nach dem Grundgesetz das Recht zum Widerstand.
Die in Weimar erscheinende THÜRINGISCHE LANDESZEITUNG kommt zu folgendem Schluss: "Die Deutsche Bank kämpft nicht ums Überleben, sie kämpft darum, die Rendite aufzustocken und die Aktionäre zufrieden zu stellen. Ein solcher Kurs muss auch der Politik zu denken geben. Lohnnebenkosten runter zumindest die Großkonzerne streichen diese Wohltaten des Staates kommentarlos ein und desavouieren alle Unternehmer; auch diejenigen, die wirklich um ihr Unternehmen kämpfen und die sich selbst den Lohn zusammenstreichen, um ihre Mitarbeiter auszahlen zu können. Auch solche Unternehmer gibt es und es sind nicht wenige. Soziale Verantwortung muss man eben leben. Und das heißt auch: In Arbeitsplätze investieren, wenn es der Firma gut geht. Sonst kommt die Konjunktur nicht in Schwung", notiert die THÜRINGISCHE LANDESZEITUNG. (05.02.05)Es ist die Kurzsichtigkeit jener sogenannten Wirtschaftsfachleute, die nur die Rendite kennen, die mich erschüttert. Nach wie vor ist die deutsche Wirtschaft "Exportweltmeister," woran die Konjunktur aber krankt, ist die mangelnde Binnennachfrage. Deshalb liegt das Wirtschaftswachstum unter dem europäischen Durchschnitt. Und während auf der einen Seite die Politik die Leute noch ärmer macht und ihnen das Geld aus der Tasche zieht, wo es geht, schafft es auf der anderen Seite die Wirtschaft nicht, trotz der günstigen Rahmenbedingungen, die von der Politik geschaffen worden sind, Arbeitsplätze anzubieten. Das aber ist ihr Teil der Gleichung. Wenn sie dazu nicht bereit oder imstande ist, kann der Staat über kurz oder lang gar nicht anders, als die Steuern auf Unternehmensgewinne zu erhöhen. Es kann nicht darum gehen, die allgemeine Höhe der Löhne auf polnisches oder tschechisches Niveau abzusenken. Das ist weder dem Preis noch dem Mietgefüge hierzulande angemessen. Die Politik aber muß rechtzeitig eingreifen, wenn die Wirtschaft beginnt, mit dem sozialen Frieden im Land wie schon einmal vor 70 Jahren zu spielen. Insofern sind auch die Aschermittwochsattacken von Bayerns Ministerpräsident Stoiber gegen die Regierung ziemlich verlogen. Denn es ist nicht die Regierung, die Arbeitsplätze schaffen kann. Die Politik (auch die Opposition) sollte lieber die Großwirtschaft ins Visier nehmen, wenn es ihr wirklich darum geht, die Rechtsradikalen aus den Parlamenten rauszuhalten. Der SPIEGEL berichtet heute von einem Interview, das IG MetallChef Jürgen Peters der "Bildzeitung" gegeben hat. Er formuliert seine Kritik natürlich drastisch: "Die Gewinnmaximierung auf Kosten der Allgemeinheit ist Verrat an der Gesellschaft. Solche Firmen sollten wir ächten, die müssen moralisch an den Pranger."Dieser Autismus offenbart sich beispielsweise in dem Unverständnis des Herrn Ackermann dafür, daß eine Steigerung des Gewinns um 87 Prozent sowie eine Erhöhung der Dividenden zu Entlassungen einfach nicht passen. Es ist leider zur traurigen Realität geworden, daß die Börse stets so reagiert, daß die Ankündigung von Entlassungen zu Kurssteigerungen führt. Wer aber garantiert den Anlegern, daß unter den Entlassenen nicht gerade die Mitarbeiter sind, die im vergangenen Jahr zu der Gewinnsteigerung durch ihre Arbeit beigetragen haben. Wer sagt ihnen, daß die Deutsche Bank ohne diese 6400 Menschen weltweit im nächsten Jahr noch genauso gut funktioniert? Jegliche Kritik prallt letztlich daran ab, daß die Bank als "global player" gezwungen ist, diese Schritte zu unternehmen, um angeblich gegen feindlichen Übernahmen geschützt zu sein. Es ist jedoch genau umgekehrt, die Deutsche Bank wird Schritt für Schritt interessanter für internationale Spekulanten, wenn sie deren Spiel mitzuspielen versucht. Nicht vergessen wollen wir, daß Herr Ackermann im vergangenen Jahr bereits höchst unappetitliche Schlagzeilen produziert hat, als er im MannesmannProzeß freigesprochen worden ist, obwohl ihm Verstöße gegen das Aktiengesetz nachgewiesen worden waren: "Wer versteht schon, dass die Angeklagten trotz massiver Verstöße gegen das Aktienrecht freigesprochen werden? Dass der Griff in die Firmenkasse bei Topmanagern anders gewertet wird als beim Buchhalter?" SCHWÄBISCHE ZEITUNG, Freitag, 23. Juli 2004.
Morgen ist der fünfzigste Jahrestag der Bombardierung Dresdens durch die
Allierten im Februar 1945. Nach dem NeonaziEklat im Sächsischen
Landtag laufen alle Politiker rum wie die Hühner, in deren Stall der Fuchs
eingebrochen ist: kopflos, chaotisch und hysterisch. Keiner weiß, wie man
dem Problem Herr werden soll, wie man darauf reagieren soll. Ebenso weiß
niemand so recht, wie man mit einem solchen Jahrestag umgehen soll. Wie kann
man der Toten angemessen gedenken, wenn man nicht weiß, ob das Ereignis
ein Verbrechen war oder nicht?
Für Neonazis ist das alles ganz einfach, daher ist es ganz
angemessen, daß dies alles für Demokraten etwas schwieriger ist,
denn die Realität ist nun einmal komplexer als uns das platte
SchwarzWeiß Weltbild der Faschisten Glauben machen will. Mit einer
starren OpferTäter Opposition kommt man hier nicht weiter; ein
solcher simpler Gegensatz ist nicht imstande, die Vielschichtigkeit der
Geschichte widerzuspiegeln. Wozu eine solche begriffliche binäre
Opposition nach den Erkenntnissen der postmodernen Philosophie aber trefflich
taugt, ist die Mythenbildung. So fragt denn auch Christian Semler in der
TAZ
heute völlig zu recht, ob uns hier ein "neuer Opfermythos im Land der
Täter" droht:
Amerikanische Flugzeuge, voll von Einschüssen, Verwundeten und Leichen
starteten rückwärts von einem Flugplatz in England. Über
Frankreich flogen einige deutsche Kampfflugzeuge rückwärts auf sie
zu, saugten Geschosse und Granatsplitter von einigen Flugzeugen und den
Besatzungen auf. Sie taten dasselbe bei abgestürzten amerikanischen
Bombern auf dem Boden, und diese Flugzeuge stiegen rückwärts auf, um
sich zu ihrem Verband zu gesellen.
Der Verband flog rückwärts über eine in Flammen stehende
deutsche Stadt. Die Bomber öffneten ihre Bombenklappen, wandten einen
wunderbaren Mechanismus an, der die Feuer eindämmte, sammelten sie in
zylindrischeStahlbehälter ein und hievten die Behälter in das
Fahrwerk der Flugzeuge. Die Behälter wurden sorgfältig in Gestelle
verstaut. Die Deutschen unten hatten ihre eigenen wundersamen Vorrichtungen,
die lange Stahlrohre waren. Sie benutzten sie, um noch mehr Bruchstücke
von den Besatzungsmannschaften und den Flugzeugen aufzusaugen. Es blieben aber
noch ein paar verwundete Amerikaner, und einige Bomber waren in schlechtem
Zustand. Über Frankreich stiegen jedoch wieder deutsche Kampfflugzeuge auf
und machten alles und jedermann so gut wie neu.
Als die Bomber zu ihrem Stützpunkt zurückkamen, wurden die
Stahlzylinder aus den Gestellen genommen und zurück in die Vereinigten
Staaten von Amerika verfrachtet, wo Fabriken Tag und Nacht damit
beschäftigt waren, die Zylinder zu demontieren und den gefährlichen
Inhalt in Mineralien zu scheiden. Rührenderweise waren es
hauptsächlich Frauen, die diese Arbeit verrichteten. Die Mineralien wurden
dann zu Spezialisten in abgelegene Gebieten verschifft. Es war ihre Aufgabe,
sie im Boden zu vergraben, sie geschickt zu verstecken, so daß sie
niemandem mehr Schadenzufügen konnten.
Die amerikanischen Flieger gaben ihre Uniformen ab, wurden wieder
Hochschüler. Und Hitler verwandelte sich in ein Baby, vermutete Billy
Pilgrim. Das kam im Film nicht vor. Billy stellte weitere Berechnungen an.
Jedermann verwandelte sich in ein Baby, und die ganze Menschheit, so
mutmaßte er, tat sich biologisch zusammen, um zwei vollendete Menschen,
Adam und Eva, hervorzubringen.
Das könnte den Rechten so passen, daß Joschka Fischer wegen der sogenannten Visaaffäre zurücktritt. Natürlich war die massenhafte Visaerteilung ein ideologisch bedingter Fehler der Grünen, aber doch der ganzen Partei und nicht nur ihres prominentesten Politikers. Angesichts der anstehenden Landtagswahlen in SchleswigHolstein und NordrheinWestfalen versuchen CDU/CSU selbstverständlich, im Trüben zu fischen und mit dem Argument der "Überfremdung" (auch wenn sie das Wort bewußt nicht in den Mund nehmen) aus der Tatsache, daß Schleuser und Menschenhändler von der neuen Offenheit der EU profitiert haben, politisches Kapital zu schlagen. Viel interessanter finde ich, daß anscheinend ein ungeheurer Bedarf an Prostituierten bestanden haben muß, sonst würde sich das Geschäft für die Schleuser und Zuhälter ja nicht rentieren. Daraus ergeben sich einige Fragen: gibt es nicht mehr genug deutsche Frauen, die bereit sind, diesem Gewerbe nachzugehen oder mangelt es ihnen an der für den Job nötigen "Hingabe" und liefern sie vielleicht nicht mehr die "Qualität," wie sich deutsche Freier das so vorstellen und wünschen? Oder gibt uns das InternetPseudonym "Paolo Pinkel" einen Hinweis darauf, daß man bei osteuropäischen (Zwangs?) Prostituierten Praktiken ausleben kann, die die eigene Freundin oder Ehefrau nicht mitmachen möchte und für die man bei deutschen Prostituierten sehr viel Geld bezahlen müßte? Wer sind eigentlich die Kunden dieser zahlreichen neuen Prostituierten? Eventuell die politischen Freunde und Wähler derjenigen, die jetzt Fischer den Garaus machen möchten? Jedenfalls kenne ich (als Taxifahrer) kein Bordell oder keinen Club, in dem heute nicht vorrangig Frauen aus den Ländern des ehemaligen Sowjetimperiums anschaffen. Der Billigstrich in tschechischen Grenzstädten war schon vor Jahren Thema von kritischen Berichten, aber hierzulande sind die Preise für Prostitution, in kleinbürgerlichen Städten zumindest, nicht unbedingt gesunken, so daß man befürchten muß, daß diese Frauen tatsächlich mehr ausgebeutet werden als dies in dem Gewerbe ohnedies üblich war und ist. Und die Kunden, die ich zu ihnen fahre, würde ich nicht unbedingt als typische Wähler der Grünen einordnen, so daß ich geneigt bin, die ganze Aktion als typisches Wahlkampfgetöse abzutun. Insgesamt gesehen finde ich es schon traurig, daß Menschen gezwungen sind, ihren Körper zu verkaufen, um ihren Lebensunterhalt zu fristen. Leider ist der ehemalige Ostblock völlig ohne Übergangsregelungen in den nackten Kapitalismus entlassen worden, so daß wir uns angesichts der vorherschenden Armut nicht wundern dürfen, daß junge Frauen sich für so wenig verkaufen und Schleusern, Menschenhändlern und Zuhältern auf den Leim gehen beziehungsweise gegen ihren Willen in deren Gewalt gelangen und zur Prostitution gezwungen werden. Ein Vorteil der Literatur ist, daß man sich ungestraft Gedanken machen und sie seinen Protagonisten in den Mund legen kann, die man ansonsten kaum äußern könnte. Der französische Schriftsteller Michel Houellebecq hat sich dem Thema in seinem umstrittenen Roman "Plattform" (2001) gewidmet: "Also", ( ) "auf der einen Seite hast du mehrere hundert Millionen Menschen in der westlichen Welt, die alles haben, was sie sich nur wünschen, außer daß sie keine sexuelle Befriedigung mehr finden: Sie suchen unablässig, aber sie finden nichts, und sie sind darüber unglücklich bis auf die Knochen. Und auf der anderen gibt es mehrere Milliarden Menschen, die nichts haben, kläglich verhungern, jung sterben, unter ungesunden Bedingungen leben und nichts anderes mehr zu verkaufen haben als ihren Körper und ihre intakte Sexualität. Das ist einfach, wirklich einfach zu begreifen: Das ist die ideale Tauschsituation. Das Geld, das man damit verdienen kann, ist kaum vorstellbar: mehr als mit der Informatik, mehr als mit den Biotechniken, mehr als mit der Medienindustrie; es gibt kaum einen Wirtschaftsbereich, der sich damit vergleichen läßt." Michel Houellebecq: "Plattform", Reinbek bei Hamburg 2003.
Saturday, February 19, 2005
Smooth Criminal
Über den Michael JacksonFall habe ich mir überhaupt noch keine
Meinung gebildet. Zum einen bin ich an den sogenannten "Celebrities", den
Schönen und Reichen dieser Welt, nicht sonderlich interessiert und
musikalisch hat Jackson seine besten Jahre sicherlich schon lange hinter sich.
Natürlich habe ich einige seiner Hits in den Achtzigern selbst auch
gespielt, als ich noch Platten in der Disco aufgelegt habe, aber das ist doch
gut zwanzig Jahre her und danach habe ich von ihm nie wieder solche
Qualität wie auf den Alben "Thriller" und "Bad" gehört. Zum anderen
habe ich keine sonderlich hohe Meinung vom amerikanischen Rechtssystem. Einmal
abgesehen vom O.J. SimpsonFall, der die Frage aufwirft, ob ein Superstar
in den USA
überhaupt
einen fairen Prozeß, zur einen oder zur anderen Seite, erwarten kann,
ist da noch die Tatsache der Medienrealität überhaupt. Objektiv
gesehen unterscheidet sich doch für den Zuschauer ein solcher Fall in
Nichts von einer Fiktion, und warum sollten die Geschworenen in einer besseren
Position sein, wenn ihnen zwei geschickte Prozeßregisseure den gleichen
Film aus zwei völlig entgegengesetzten Perspektiven präsentieren.
Ich war bisher davon ausgegangen, daß es letztlich wohl darauf
hinauslaufen würde, daß man sich dafür entscheiden muß,
entweder der einen oder der anderen Seite zu glauben. Ich dachte, daß die
objektive Beweislage relativ dünn sein dürfte, daß es
außer Indizien nur die Zeugenaussagen der Betroffenen gibt, so daß
es am Ende auf den klassischen Fall von Aussage gegen Aussage hinauslaufen
würde. Nun stehen aber seit zwei Tagen große Teile der
Prozeßakten bei
THE SMOKING GUN
im Internet und man kann versuchen, sich selbst ein Bild zu machen:
Im GUARDIAN findet sich ein lesenswerter Kommentar zur Rolle des linken Intellektuellen unter den na, ich sag mal verschärften Bedingungen des seit dem 11. September 2001 herrschenden puritanischkapitalistischen NeoImperialismus: From my communist youth, I still remember the formula, endlessly repeated in official proclamations to mark the "unity of all progressive forces": "workers, peasants and honest intellectuals" as if intellectuals are, by their very nature, suspicious, all too freefloating, lacking a solid social and professional identity, so that they can only be accepted at the price of a special qualification.
comments are appreciated © Otto Sell Februar 2005 |