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Monday, November 07, 2005
Die Regierungsbildung in Berlin gestaltet sich denn doch noch etwas schwieriger
als ohnehin erwartet und wer wollte es den einfachen Leuten verübeln,
daß die zunehmend ungehaltener über den Eiertanz werden, den die
Regierungsklasse da vollführt. Eigentlich glaubt niemand mehr, daß
es ohne Steuererhöhungen abgehen wird. Für die
Mehrwertsteuererhöhung nimmt die Union eine Erhöhung des
Spitzensteuersatzes hin, wobei allen klar ist, daß die Binnenkonjunktur
leiden wird und diejenigen, die Geld haben, ihre Kohle vermehrt ins Ausland
bringen werden. Vor allem ist fraglich, ob lediglich Steuererhöhungen
anstelle von echten Strukturreformen und vernünftigen (und nicht nur
unsozialen) Einsparungen das Land wirklich voranbringen werden. Es ist zwar
verständlich, daß jede Regierung unter einem gewaltigen Druck steht,
das Staatsdefizit zu verringern, aber kurzfristige Einnahmen, die langfristig
zu dauerhaften Mindereinnahmen führen, werden kaum eine befriedigende
Lösung bringen. Zumal, wie das Beispiel Frankreich zeigt, das Sparen an
der falschen Stelle irgendwann einmal auch in anderer Hinsicht sehr teuer
werden kann.
Die Krawalle in Frankreich zeigen, wohin es führt, wenn eine Regierung zu
einseitig ausgelegt ist und nur ihre Wähler im Auge hat. Während die
französischen Bauern vor den Auswirkungen der Globalisierung derartig
geschützt werden, daß eine vernünftige Reform der
EUAgrarpolitik von Paris blockiert wird, wird auf der anderen Seite
die Integration absolut vernachlässigt, ganze Generationen von
Einwandererkindern der Perspektivlosigkeit und Verelendung ausgesetzt. Eine
Gesellschaft, die es sich leistet, die Folgen eines so einschneidenden Vorgangs
wie der Globalisierung einseitig auf die schwächsten Teile der
Gesellschaft abzuwälzen, wird sich irgendwann einmal mit heftigen sozialen
Spannungen konfrontiert sehen.
Die französische Journalistin Naima Bouteldja bezeichnet die
Aufstände denn auch passend als das Produkt von jahrelanger Armut,
Rassismus und Polizeibrutalität in ihrem
Kommentar
im Guardian:
Eine böse Karikatur im
GUARDIAN
The 5th of November
mit einem Verweis auf den
Guy Fawkes Day
, der, wie wir alle aus der Landeskunde wissen, ein spezieller Tag in Britannien
ist.
Ein interessanter Radioessay im Deutschlandfunk: Der Rösslersprung oder mit Otto im KinoAuch bei Telepolis gibt es zu Otto E. Rössler etwas: zuletzt ein langes Interview unter dem Titel: Vom Chaos, der Virtuellen Realität und der Endophysik . Das Intro: Vor 400 Jahren, am 31.3.1696 wurde Descartes geboren. Mit ihm begann in der Philosophie und der Wissenschaft die Neuzeit, weswegen er zum Heros der Moderne wurde. Im postmodernen Zeitalter allerdings hat man Descartes zum Schurken erklärt, dessen Denken mitverantwortlich für die desaströsen Folgen des Rationalismus sei. In einem Gespräch von Florian Rötzer mit dem Chaosforscher Otto E.Rössler wird Descartes einmal anders betrachtet.
Während man bei uns in den Nachrichten überwiegend Frau Merkels Amtsantritt zu sehen bekam, konnte man bei CNN sehen, wie der Präsident ganz traditionell einen Truthahn begnadigte. Gut 50 Millionen der schmackhaften Vögel werden morgen an amerikanischen Tischen verzehrt werden. Bei Alter Net erinnert uns Professor Robert Jensen von der Universität Austin in Texas unter dem Titel: "Thanksgiving Nein Danke" an die Geschichte, die diesem Brauchtum zugrundeliegt, und die natürlich, trotz aller nationaler Verbrämung in den USA, die Geschichte eines Genozids ist, der von den heldenhaften Gründungsvätern begonnen worden ist, die mit Thanksgiving gefeiert werden. Nun möchte wohl keine Nation ihre Gründung mit dem Hinweis auf einen Völkermord feiern, deshalb mußte nach Robert Jensens Ansicht der ThanksgivingMythos geschaffen werden: From an early age, we Americans hear a story about the hearty Pilgrims, whose search for freedom took them from England to Massachusetts. There, aided by the friendly Wampanoag Indians, they survived in a new and harsh environment, leading to a harvest feast in 1621 following the Pilgrims first winter. No Thanks to ThanksgivingDoch schon im Jahre 1637, so ist weiter zu lesen, dankte der Gouverneur von Massachusetts, John Winthrop zu Thanksgiving für ein erfolgreiches Massaker an mehreren hundert PequotIndianern, die der Ausbreitung der Kolonien im Weg waren. Nach diesem Muster ereigneten sich die Einwanderer Stück für Stück des nordamerikanischen Kontinents an, bis circa 95 bis 99 Prozent der Ureinwohner ausgerottet waren: Simply put: Thanksgiving is the day when the dominant white culture ( ) celebrates the beginning of a genocide that was, in fact, blessed by the men we hold up as our heroic founding fathers. IbidDer erste Präsident George Washington betonte zwar, daß er es vorziehen würde, Land von den Indianern zu erwerben als diese vertreiben zu müssen, nannte die Indianer andererseits auch Raubtiere und verglich sie mit Wölfen, d.h. auch für Washington war das Töten eines Indianers kein Mord: Entsprechend der Terminologie seiner Epoche ging es für Washington um die vollständige Vernichtung der indianischen Basis: Unmittelbare Ziele sind die völlige Zerstörung und Verwüstung ihrer Siedlungen. Besonders wichtig wird es sein, ihre Feldfrüchte in der Erde zu vernichten und die Felder unbestellbar zu machen. WikipediaEs wundert einen denn auch nicht, daß Washington später auch Sklavenhalter war, um seine Hanfplantagen betreiben zu können. Aber Jensen hat noch andere Zitate zu bieten, so von Thomas Jefferson, dem Verfasser der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, wo dieser von "gnadenlosen indianischen Wilden" spricht, die man "alle vernichten müsse". Aber selbst aus dem 20. Jahrhundert gibt es Äußerungen wie von Teddy Roosevelt, der die Eroberung des Westens mit einer Rethorik als notwendig und unvermeidbar rechtfertigte, die sich wenig von der Hitlers unterscheidet: "due solely to the power of the mighty civilized races which have not lost the fighting instinct, and which by their expansion are gradually bringing peace into the red wastes where the barbarian peoples of the world hold sway."Der letzte Satz sollte dann wohl witzig sein!
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