Ottos Weblog Dezember 2004Index2004: Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November 2005: Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember 2006: Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober Sunday, 05 Monday, 06 Tuesday, 07 Saturday, 11 Monday, 13 Sunday, 19 |
Sunday, December 05, 2004
Es wurde aber auch einmal Zeit, daß endlich einmal jemand meinen Gefühlen Weihnachten gegenüber den angemessenen Ausdruck verleiht. Maureen Dowd, ohnedies meine Lieblingskommentatorin von der NEW YORK TIMES, hat es auf sich genommen, sich als Weihnachtsmuffel zu outen und das finde ich doch sehr sympathisch: If I hear "Frosty the Snowman" one more time, Ill rip his frozen face off. Its a scientific fact, or should be, that Christmas music can turn you into a fruitcake. It either sends you into a Pavlovian shopping trance, buying stupid things like the Robosapien, or, if you hear repeated Clockwork-Orange choruses of "Ring, Christmas Bells" drilling into your brain with that slasher-movie staccato, makes you feel as possessed with Christmas spirit as Norman Bates.
Ungeheuerliches wird aus den Niederlanden berichtet, wo man, so der SPIEGEL, den Memoiren von Frits Hoekstra, des ehemaligen Leiters der "niederländischen Gegenspionage in der Tschechoslowakei und der DDR" entnehmen kann, daß die MLPN, die Marxistisch-Leninistische Partei der Niederlande, lediglich eine Tarnorganisation des niederländischen Geheimdienstes BVD war. Der Originalartikel ist am 3. Dezember im "Wall Street Journal" erschienen, jetzt aber nur noch Abonnenten zugänglich. Auf der Webseite der Australian Libertarian Society sind einige, so der Poster Jason Soon, heitere "bits" zu lesen. Danach hatte Pieter Bové alias Chris Petersen (sein Agentenname) besten Kontakt zur chinesischen und albanischen Führung und genoß vor allem die gute chinesische Küche auf seinen wiederholten Reisen nach China, auf denen er Erkenntnisse sammelte, die er nicht nur mit seinem Dienstherrn, sondern auch mit der CIA teilte: Von Anfang der sechziger bis weit in die achtziger Jahre hinein reiste der lügende Holländer 25-mal nach Peking. Im Laufe der Jahre konnte er sich ein dichtes Netz von Freunden und Informanten aufbauen. Die als hausbacken beleumundeten holländischen Dienste wussten deshalb über Vorgänge, vor allem über Säuberungen innerhalb der Pekinger Nomenklatura, meist besser Bescheid als CIA, MI6 und BND. Erich Wiedemann: Operation Roter HeringBesonders schlimm sind so späte Enthüllungen natürlich für ehemalige Mitglieder, die wirklich an die revolutionären Überzeugungen ihre Vorsitzenden glaubten. So wie Paul Wartena, der jahrelang 20 Prozent seines Einkommens der Partei gespendet hat und jetzt dieses Geld vom Geheimdienst zurückverlangt: "I totally wasted 12 years of my life," says Paul Wartena, an ex- MLPN member who was so dedicated to the cause he used to donate 20% of his salary to the fake party. He says he "had some doubts now and then" about the MLPN but stayed loyal because "I was very naive and Mr. Boeve was such a good actor." Now a researcher at a university in Utrecht, Mr. Wartena wants Dutch intelligence to pay him back for all his donations. Record of a shooting Zu obigem Thema gibt es einen sehr guten Kommentar von dem Historiker Dan Diner in der heutigen WELT, aus dem ich ausgiebig zitieren möchte, denn besser kann man es kaum ausdrücken: Zwischen Realismus und Ressentiment
Wahrscheinlich ebenso in der Mitte liegen dürfte die Wahrheit, ob die
Europäische Union mit einer Aufnahme der Türkei überlastet
wäre oder nicht. Nach der schnellen Aufnahme aller jener
osteuropäischer Länder, die auch nichts anderes als wirtschaftliche
Vorteile wollten (und wollen), nachdem sie der sowjetischen Knute entronnen
sind, soll jetzt der einzige Aufnahmekandidat, dem man die Aufnahme seit
vierzig Jahren versprochen hat, der seit ewigen Zeiten NATOMitglied ist,
draußen vor der Tür bleiben; die Türkei.
Die Argumente der CDU/CSU sind weniger konservativ als viel mehr rassistisch,
eine merkwürdige christliche Wertegemeinschaft, die ihre eigenen Werte
vergessen hat. Der mehr als dämliche (eigentlich war er schon immer
peinlich) CDUPastor Peter Hintze nennt die Frage gar eine
"Schicksalsfrage" und ich frage mich dann , was so ein christlicher
Fundamentalist als Führungskader in einer politischen Partei zu suchen
hat. Wohin das führt, sehen wir doch im Iran oder in den USA, wo
religiöser Fundamentalismus die Menschen mit einfach gestrickten Antworten
verführt. CSUParteichef Stoiber will mit dem Thema gar in den
Bundestagswahlkampf 2006 ziehen wohl dem, der keine anderen politischen
Sorgen und vor allem, keine Alternativen zur gegenwärtigen
Regierungspolitik hat.
Ein wohltuender Kommentar ist von dem schweizer Schriftsteller Adolf Muschg in
der
NZZ
zu lesen, wo es eingangs heißt:
Die Europa der altgriechischen Sage war eine phönikische Königstochter, die mit ihren Gespielinnen in der Gegend des heutigen Gazastreifens Blumen pflückte, als Zeus sie in Stiergestalt entführte und über das östliche Mittelmeer nach Kreta trug. Europa ist keine Europäerin damit fängt unsere Geschichte an. Selbst die Schrift, in der wir der Sage ihres Ursprungs begegnet sind - ich damals in der jugendfreien Version von Gustav Schwabs «Sagen des klassischen Altertums» , ist phönizischen Ursprungs. Demnach ist schon das Alphabet, in dem ich mein Thema buchstabiere, die Leihgabe einer fremden Kultur. Aber: Was heisst hier fremd? Europa ist überspitzt gesagt kein europäisches, jedenfalls nie ein nur europäisches Thema. Ich hoffe, dass es dabei bleibt. Was ist europäisch? Die Entstehung Europas aus dem Geist der Tragödie
Aus Muschg Text wird klar, daß unsere Definitionen immer
willkürlich und durch den Kontext, dem sie entspringen, begrenzt sind. Die
Kontexte aber sind unendlich, das sollte man nicht vergessen. Ich finde seine
Lesart, den athenischen Kontext einmal auf unsere aktuelle Situation
anzuwenden, sehr geschickt.
Wie viele der PISAKids kennen eigentlich den Ursprung des Namens unseres
Kontinents und wie viele von ihnen lesen die "Neue Züricher
Zeitung" so daß man sich fragt, ob das löbliche Unterfangen
des Herrn Muschg nichts ins Leere geht und nur die ohnehin davon
Überzeugten (wie mich) erfreut, daß die deutsche Opposition
politisch gesehen das Letzte ist und auf gar keinen Fall an die Regierung
kommen darf. Angesichts der Tatsache, daß eine Mehrzahl der deutschen
Wähler gegen einen Beitritt der Türkei zur EU ist (aber das ist in
Frankreich und anderen Ländern auch so), ist es nur gut, daß wir
keine Volksabstimmung zu dem Thema haben werden. Ich finde, das
"hässliche," rassistische Deutschland zeigt schon wieder genug sein
Gesicht. Da bedarf es nicht auch noch der politischen Elite dieses Landes, die
auch noch diese Klischees bedient, nur weil sie meint, an den Stammtischen
Stimmen holen zu können, wenn sie schon nicht imstande ist, politische
Konzepte zu entwickeln, um mit den Folgen von Globalisierung und
EUErweiterung fertig zu werden. Das "Projekt Multikulti" für
gescheitert zu erklären, als ob es ein solches Projekt als politische
Agenda jemals gegeben hätte, ist nur ein Schlagwort ohne echten Inhalt,
denn der findet sich in den Verträgen der Europäischen Union, und
dort ist die Freizügigkeit der Bewohner aller Mitgliedstaaten nun einmal
festgeschrieben. Irgendwie weiß ich nicht, wie da die christliche
Wertegemeinschaft hineinpaßt:
zugleich bin ich dankbar, dass die Europäische Union auf fromme Wünsche nicht angewiesen ist. Ihre reale Verfassung ist weiter als die geschriebene, mit der Europa nicht mehr steht und fällt; es ist für seine Bürger, wie sie auch dazu stehen mögen, auch diejenigen meines eigenen Landes, Teil ihrer Realität geworden, mit der sie nicht nur zum ersten Mal in einer gemeinsamen Währung täglich rechnen, in der sie auch leben. Sie haben vielleicht weniger europäische Identität nötig, als ihnen Politiker in wohlgemeinten Festreden glauben ans Herz legen oder wie in meinem Land ausreden zu müssen. Sie scheinen diese Identität auch nicht eben brennend zu vermissen, und die Intellektuellen weigern sich fast durch die Bank einigermassen standhaft, sie ihnen nachzuliefern. Leider bleiben sie Europa auch den Widerspruch schuldig, mit dem ihm eher gedient wäre. Man mag auch beklagen, dass der europäische Diskurs, soweit er diesen Namen verdient, unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, die ihn auch nicht eben stürmisch anmahnt. «Brüssel» ist kein Ort, der die Phantasie beflügelt. Es scheint sich hauptsächlich als Zentralbehörde des Wettbewerbs um jeden Preis zu verstehen, als Vatikan regulierter Deregulation. Was durch verschlossene Türen dringt, klingt eher technokratisch als politisch und im Sinne des klassischen Athen ziemlich banausenhaft.Aber Muschg mahnt auch an, die Chancen einer kulturellen europäischen Identität nicht zu vergessen, die, in seinen Worten, schon wieder ein Plädoyer für die kulturelle Vielfalt unter einem einigenden Dach sind und deren Verwirklichung über Europa hinaus eine politische Wirkung haben würde: Europa wird ein kulturelles Projekt, oder es wird sich auch politisch nicht halten lassen. Die wirtschaftliche Logik vermag keine der Kräfte frei zu machen, die eine Kohäsion jenseits der Prosperität und auch ohne sie, ja sogar im Notfall sichern. Ich betrachte Europa als exemplarischen Testfall, ob es einer national und regional fundierten, aber auch entsprechend geteilten Gesellschaft gelingen kann, eine gemeinschaftlich bestimmte Grösse zu entwickeln, die der planetarischen Gesellschaft den Beweis ihrer Möglichkeit liefert. Die marktwirtschaftliche Globalisierung ist ein starker Motor, aber er kennt keine Bremsen und ist, in seiner moralischen Neutralität, steuerlos. Das Regulativ dazu sind Werte, die der Markt nicht so selbstverständlich erzeugt, wie sich Adam Smith, der Kirchenvater des Liberalismus, träumen liess, als er dem Überfluss des gesunden Egoismus die Produktion seines eigenen Korrektivs zutraute. Das Soziale ist leider keine erfreuliche und schon gar keine automatische Nebenwirkung des unbeschränkten Wettbewerbs. Als darwinistisches Prinzip neigt er eher dazu, die Grundlagen des Sozialen zu zerstören und den Gerechtigkeitssinn zu entwerten, denn dieser kann die Gesellschaft etwas kosten. Als die athenische Demokratie diesen Preis nicht mehr zahlen konnte und wollte, war sie verloren.Und wo ich zustimme, ist seine letzte Schlußfolgerung, daß es durchaus sein könne, daß das Projekt Europa, das Projekt der Aufklärung letztendlich scheitern könnte, wenn es in Gestalt eben dieses kulturbildenden Projekts Europa nicht erfolgreich ist: Europa, das bedeutet die Einrichtung eines Bündnisses, das einerseits nicht exklusiv, anderseits auch nicht beliebig ist. Auf dem Papier noch einmal ist das die Quadratur des Zirkels. In der Praxis nur in der Praxis, aber einer von einem hohen kulturellen Bewusstsein getragenen, von der eigenen Geschichte geleiteten Praxis scheint es möglich, zum ersten Mal. Und es verdient wahrlich so behandelt zu werden, als wäre es auch das letzte Mal; denn das könnte es sein, wenn es diesmal nicht gelingt.Ein Scheitern, so heißt es doch so schön auf neudeutsch, ist keine Option. Der Hinweis darauf, daß die Europäische Union (aus der Sicht des schweitzer Weltbürgers Muschg) einmal zum Beispiel für eine Weltregierung werden könnte, die diesen Namen auch verdient, führt mich zum zweiten Thema, das mich gedanklich in diesen Tagen beschäftigt hat: die Schelte und Kritik, die Bundeskanzler Schröder für seine Forderung nach einem Vetorecht für alle möglichen neuen Mitglieder des Weltsicherheitsrates einstecken mußte. Dabei ist klar, daß eine solche geplante Restrukturierung, die angesichts der neuen Weltlage angemessen erscheint, nur Sinn macht, wenn das Vetorecht der fünf "Siegerstaaten" des Zweiten Weltkrieges, jenes schlimme Relikt aus der Zeit des Kalten Krieges, entweder verschwindet oder aber zumindest auf die neuen zu wählenden ständigen Mitglieder des Rates auszudehnen ist, wenn die UNO die Legitimation erhalten soll, die ihr eigentlich zusteht. Insofern möchte ich Schröders Vorstoß eher als Anstoß zu einer Diskussion über dieses Vetorecht der Großen Fünf verstanden wissen, nicht so sehr als ernstzunehmenden Versuch, dieses Recht noch auf weitere Staaten auszudehnen. Eigentlich sollte das Vetorecht als zur Disposition stehend begriffen werden, damit die Weltgemeinschaft nicht länger als durch jeweils Einen der Großen Fünf erpressbar dasteht. Wenn diese sich aber weigern, ihr Vetorecht zugunsten eines Systems der Mehrheiten aufzugeben, sollte es aber ausgedehnt werden, um eine größere Meinungsvielfalt zu gewährleisten. Außerdem müßte jeder, der sein Vetorecht ausübt, in erhöhtem Maße damit rechnen, daß eigene Vorschläge oder Resolutionsentwürfe auch einmal einem Veto eines anderen Mitgliedes zum Opfer fallen könnten, was dazu führen könnte, das die Staaten entsprechend vorsichtig mit dem Instrument umgehen würden.
Monday, Sunday, December 19, 2004
Manchmal, aber nur manchmal
Eigentlich habe ich ja nichts dagegen, wenn sich Politiker Gedanken um das
Gemeinwesen machen. Ist ja irgendwie auch ihre Aufgabe. Was mich nur schon oft
gestört hat, ist das Unzeitgemäße, unter dem so mancher gut
gemeinte Vorschlag das Licht der Welt erblickt.
Als sich die Ganneffs CDU/CSU vor über einem Jahrzehnt aufmachten, dem
öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem im Lande den Garaus zu machen, weil
sie es zum einen als linkslastig betrachteten und weil zum anderen viel zu viel
Geld mit den zahlreichen in München angesiedelten schönen neuen
Privatsendern zu machen war, haben sie wahrscheinlich gar nicht geahnt, wie
erfolgreich ihre Doppelstrategie war, die öffentlich-rechtlichen
finanziell dadurch ausbluten zu lassen, indem man ihnen sowohl die staatlichen
Zuschüsse gekürzt wie auch die Möglichkeit eingeschränkt
hat, Werbegelder zu erzielen.
Leider haben die öffentlich-rechtlichen Sender nicht in erster Linie mit
Qualität, sondern ganz panikhaft mit der Kopie der schlechteren Form der
TVund Radiounterhaltung, die von den Privaten eingeführt worden ist,
reagiert. Unter dem Stichwort der Jagd nach der Einschaltquote haben wir immer
dämlicher werdende Nachmittagsshows, das sogenannte "RealityTV,
schlechtes Gerichtsfernsehen und Dauerwerbesendungen kennengelernt.
Im Radiobereich kann man private von öffentlichrechtlichen Sendern
beinahe noch weniger unterscheiden. Ausnahmen, wie der von mir hoch
geschätzte Deutschlandfunk, bestätigen die Regel und sind im
nächsten Jahr schon wieder von massiven Kürzungen betroffen.
Jetzt kommen die Mädels von RotGrün, Monika Griefahn &
Antje Vollmer, mit dem Vorschlag daher, dem Radio vorzuschreiben, daß
dreißig Prozent der gespielten Musikstücke deutschsprachig sein
soll, und es hat immerhin zu einer Entschließung des Bundestages
geführt, die privaten und öffentlich-rechtlichen Rundfunksender zu
einer freiwilligen Selbstverpflichtung aufzufordern:
Besonders nett ist ja auch immer unsere Pastorin Antje Vollmer, deren warnender
Zeigefinger den klagebereiten Privatsendern sicherlich Schauer den Rücken
hinunter jagen wird:
Und was die "Mitnahmementalität" angeht, die Kanzler Schröder noch im
September beklagt hat, so hat er damit sicherlich nicht den
CDUGeneralsekretär Laurenz Meyer gemeint, der noch vor gut einem
Monat das Scheitern der "Multi-Kulti-Gesellschaft von Rot-Grün" für
gescheitert erklärt hat, wo er doch selbst kräftig dabei war, unser
Land in eine Bananenrepublik zu verwandeln. Aber man kann nicht anders als zu
konstatieren, daß Angela Merkel wirklich ihre Männer abhanden
kommen, wie ja jüngst auch schon im Bundestag süffisant von
Grünen-Fraktionschefin
Christa Sager
angemerkt worden ist:
Index Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November
No Responsibility for Links
|