Ottos Weblog Oktober 2004Index2004: Februar März April Mai Juni Juli August September November Dezember 2005: Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember 2006: Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Tuesday, 05 Friday, 08 Monday, 18 Tuesday, 19 Friday, 22 Monday, 25 |
Tuesday, October 05, 2004
Der
GUARDIAN
veröffentlicht heute Auszüge aus
Michael Moores
neuem Buch:
Will They Ever Trust Us Again? Letters from the Warzone to Michael Moore.
Moore hat anscheinend so viele E-Mails und Briefe von umzufriedenen
US-Soldaten im Irak erhalten, daß es sich lohnte, ein Buch daraus zu
machen und dieses noch rechtzeitig vor den Wahlen im nächsten Monat zu
veröffentlichen:
Die
Washington Post
veröffentlicht mittlerweile die Namen und Fotos der gefallenen Soldaten:
Faces of the Fallen U.S. Fatalities in Iraq
Heute Nacht findet das zweite TVDuell zwischen US-Präsident Bush und Senator Kerry statt, aber thematisch ist ja nicht der Irakkrieg, sondern die Innenpolitik an der Reihe. Dennoch hätte der ziemlich vernichtende Bericht des Waffeninspekteurs Duelfer kaum zu einem unpassenderen Zeitpunkt für den Amtsinhaber kommen können, denn nun ist vollends klar, daß keiner, aber auch wirklich kein einziger der von Bush & Blair angeführten Kriegsgründe stichhaltig war. Die Weltpresse ist sich ziemlich einig, daß die BushRegierung die Welt hinters Licht geführt hat, aber auch die amerikanischen Kommentatoren gehen hart mit dem Präsidenten ins Gericht. Dennoch glaube ich nicht, daß dieser weitere Bericht über die Lügen der Kriegskoalition viele Amerikaner davon überzeugen wird, ihre Stimme Kerry statt Bush zu geben. Und so stellen sich Bush und seine Spin Doctors auch heute noch so dar, als könne nichts ihre Überzeugung beeinflussen, daß es richtig gewesen sei, Saddam Hussein unter massiver Verletzung des Völkerrechts zu stürzen. Besonders lesenswert ist der Kommentar von Paul Krugman in der heutigen New York Times, der auch in der Presseschau des Deutschlandfunks zitiert wird: I first used the word "Orwellian" to describe the Bush team in October 2000. Even then it was obvious that George W. Bush surrounds himself with people who insist that up is down, and ignorance is strength. But the full costs of his denial of reality are only now becoming clear. ( ) In the world according to the Bush administration, our leaders are infallible, and their policies always succeed. If the facts dont fit that assumption, they just deny the facts. ( ) The point is that in the real world, as opposed to the political world, ignorance isnt strength. A leader who has the political power to pretend that hes infallible, and uses that power to avoid ever admitting mistakes, eventually makes mistakes so large that they cant be covered up. And thats whats happening to Mr. Bush. Ignorance Isnt StrengthIch kann mich sehr gut daran erinnern, was Tony Blair und Colin Powell alles erzählt haben, um moderate Kriegsgegner auf die Seite der Befürworter eines Angriffs auf Bagdad zu ziehen. Es wahr niemals die Rede davon, daß Saddam Hussein lediglich den diffusen Wunsch verspürt hat, sich chemische, biologische oder Nuklearwaffen zu verschaffen, um seine Nachbarn, Israel oder die USA anzugreifen. Condolezza Rices "Smoking Guns" sind ebenfalls noch in guter Erinnerung.
Es ist schier unglaublich. Obwohl John Kerry nach Aussagen der Analysten alle drei Fernsehduelle gegen George Bush "gewonnen" hat, liegt dieser in den neuesten Umfragen nach wie vor vorn und es ist schwer vorstellbar, womit Kerry diesen Vorsprung noch aufholen sollte. Also werden wir uns wohl damit abfinden müssen, Bush noch vier weitere Jahre zu ertragen, was in der Konsequenz bedeuten dürfte, daß der nächste Krieg, in diesem Fall gegen den Iran, nicht sehr weit in der Zukunft liegt, wie im GUARDIAN zu lesen war: "The only alternative is to take it off them [Iran] by force."Verglichen mit der Nukleartechnologie, über die sogenannte "Schurkenstaaten" wie Nordkorea und der Iran verfügen, war Saddam Husseins Irak nach den jahrelangen Sanktionen sicherlich keine unmittelbare Bedrohung und hätte auch in absehbarer Zukunft keine direkte Bedrohung des Westens dargestellt. Ein militärischer Angriff auf die iranischen Nuklearanlagen aber würde in der arabischen Welt lediglich als Rechtfertigung für die Unterstützung weiterer terroristischer Angriffe auf Israel, die USA und andere westliche Ziele angesehen werden, da diese Staaten gar kein anderes Mittel haben, sich gegen die militärische Übermacht des Westens zur Wehr zu setzen. Es wäre also wichtig im Sinne der Weltpolitik, daß John Kerry gewählt wird, der ja ständig einen pragmatischeren Ansatz betont und die Europäer mit ins Boot holen will. Aber sind die Amerikanischer politisch weise genug, dies zu erkennen?
Die CDU ist zur Zeit mal wieder richtig lustig. Zuerst wird eine populistische Unterschriftenaktion gegen den EU-Beitritt der Türkei angedroht, dann wieder zurückgezogen, weil dies "mißverstanden" werden könnte. Als ob es da etwas mißzustehen gäbe. Fremdenfeindlichkeit bleibt Fremdenfeindlichkeit. Deshalb haben die Rechtsradikalen von der DVU und NPD auch sofort beschlossen, auf den Zug aufzuspringen, nachdem Flip-Flop "Angela Bush" (zweimaliger Versprecher eines Kommentators im DLF am 14.10.) die Sache nun wieder zurückgepfiffen hat. Jetzt wird gar von einem Komplott gegen Merkel gesprochen. Die alte Herrenriege CDU hat augenscheinlich genug von der ostdeutschen Frau, die es einfach nicht kann. Der Rücktritt des Hoffnungsträgers Friedrich Merz, der uns dereinst versprach, daß wir unsere Steuererklärung auf einem Bierdeckel würden abliefern können, scheint ausschließlich taktisch bedingt zu sein. Wenn die CDU unter Merkel die nächste Bundestagswahl verliert, kommt er wieder aus der Versenkung.
Eine Mehrheit der USamerikanischen Zeitungen hat Wahlempfehlungen zugunsten von John Kerry abgegeben, aber bezweifelt selbst die Wirksamkeit solcher Empfehlungen. Aber es ist wohl amerikanische Wahlkampftradition, so etwas zu tun. Zu hören, daß der aktuelle Präsident, der sein Land in einen ungerechtfertigten und nach dem Völkerrecht illegalen Krieg geführt hat, in den Umfragen nach immer führt, ist sehr schmerzlich und so wird es nach dem zu erwartenden Sieg des Amtsinhabers wohl nicht zu einer Besserung des europäisch-amerikanischen Verhältnisses kommen. Arthur Schlesinger, einer der Berater von John F. Kennedy, schreibt heute im GUARDIAN über Bushs Krieg und wie sehr dieser Krieg im Widerspruch zu lang gehegten Traditionen in der US-Außenpolitik steht: He is an unrepentant preventive warrior. His reelection is far from certain; but he would take reelection as an endorsement of his first term and would probably see it as a national mandate to pursue his methods and goals during a second term. Already, premonitory warnings against Iran are eerily reminiscent of those that preceded the preventive war against Iraq. He might take it as a national mandate to pursue the policy of truculent unilateralism. Already the Bush administrations contempt for "old Europe", the UN and international institutions is hardly concealed. Never in American history has the republic been so unpopular abroad, so mistrusted, feared, even hated.
Leider habe ich den Artikel am Erscheinungstag verpaßt, wurde aber zum Glück nachträglich durch den Tom Dispatch darauf hingewiesen. Ron Suskind, der zwischen 1993 und 2000 Redakteur für amerikanische Innenpolitik beim Wall Street Journal war und sicherlich kein "Linker" im europäischen Sinn ist, bringt hier ein paar Dinge zur Kenntnis, die einen grausen lassen. So gab es beispielsweise im Dezember 2002 eine Sitzung mit republikanischen und demokratischen Senatoren im Oval Office, bei der über die "Road Map" gesprochen wurde. Einer der Senatoren, der demokratische Kongressabgeordnete Tom Lantos aus Kalifornien, ein gebürtiger Ungar und der einzige Überlebende des Holocaust im US-Senat, verwies darauf, daß skandinavische Soldaten im Gegensatz zu deutschen und französischen Soldaten eher als Blauhelme in Palästina akzeptiert würden: Lantos went on to describe for the president how the Swedish Army might be an ideal candidate to anchor a small peacekeeping force on the West Bank and the Gaza Strip. Sweden has a well-trained force of about 25,000. The president looked at him appraisingly, several people in the room recall.Und so ein Ignorant befehligt die mächtigste Armee, die die Welt je gesehen hat. Der Artikel ist eine vernichtende Bilanz der mangelnden intellektuellen Fähigkeiten eines US-Präsidenten, dessen durch Betrug erlangte Präsidentschaft auf "Instinkt" und "Glauben" beruht und die die Welt an den Rand eines nicht mehr zu kontrollierenden Konflikts zwischen dem Westen und der islamischen Welt geführt hat. Glauben, so sagt Suskind zu recht, ist etwas, das keines empirischen Beweises bedarf, und so braucht sich auch niemand zu wundern, wie es zu dem unglaublichen Akt des völkerechtswidrigen Angriffs auf den Irak gekommen ist. Bush hat eben fest daran geglaubt, daß Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen besitzt oder anstrebt. Wir können nur von Glück reden, daß dieser unglaublich dämliche Mensch nicht vor zwanzig Jahren, während des Kalten Krieges an die Macht gekommen ist. Der hätte glatt eine Atombombe auf Kiel anstatt auf Kiew abgeworfen. Suskind erinnert in seinem Artikel auch an den unseligen Begriff des "Kreuzzuges," den Bush nach dem 11. September verwendete und den sein damaliger Sprecher Ari Fleischer ein paar Tage später zu relativieren versuchte: It was during a press conference on Sept. 16, in response to a question about homeland security efforts infringing on civil rights, that Bush first used the telltale word ''crusade'' in public. ''This is a new kind of a new kind of evil,'' he said. ''And we understand. And the American people are beginning to understand. This crusade, this war on terrorism is going to take a while.''
Der SPIEGEL erinnert uns im Interview mit dem SPDAußenpolitiker Karsten Voigt zu recht daran, daß sich so viel bei einem Wahlsieg gar nicht ändern würde und daß es absolut falsch wäre, das gewohnte RechtsLinks Schema einfach so auf die USA zu übertragen. Aber das Ansinnen Kerrys, die europäischen Verbündeten im Falle seines Wahlssieges zu mehr Engagement im Irak zu veranlassen, können wir getrost als Wahlkampfargument abtun. Kerry ist sich völlig bewußt, daß es weder deutsche noch französische Truppen im Irak geben wird, solange die USTruppen dort den Zorn der Bevölkerung auslösen wie dies zur Zeit der Fall ist. Schlimmer noch, seine Ankündigung, dies tun zu wollen, hat anscheinend die BushKrieger erst dazu gebracht, ihren einzigen ernstzunehmenden Verbündeten Tony Blair dazu zu bewegen, dem Präsidenten Wahlkampfhilfe durch die Verlagerung britischer Truppen in wirklich gefährliche Gebiete im Irak zu verschaffen. Im Augenblick scheinen sich die Aufständischen und Terroristen im Irak darauf zu konzentrieren, diejenigen anzugreifen, die es wagen, sich mit der Übergangsregierung und mit den Besatzungstruppen zu arrangieren. Die gestrige Ermordung von 49 irakischen Rekruten durch den jordanischen Terroristen Abu Mussab al-Sarkawi zeigt, wie gefährlich es ist, dafür einzutreten, daß im Irak wieder eine gewisse Stabilität hergestellt wird. Aber es zeigt auch, wie wenig die Marionettenregierung die Dinge im Griff hat, und welche Lüge es gewesen ist, als George W. Bush den Krieg für gewonnen und beendet erklärt hat. Nichts könnte von der Realität im Irak weiter entfernt sein. Niemand dürfte zum gegenwärtigen Zeitpunkt in der Lage sein, zuverlässige Informationen darüber zu geben, inwieweit der Aufstand der verschiedenen Fraktionen terroristische Hintergründe hat, echtem irakischen Nationalismus entspringt oder auf das Handeln religiöser Fanatiker zurückzuführen ist. Eine Mischung scheint das Wahrscheinlichste zu sein, aber Sarkawi ist mit Sicherheit der gefährlichste und vor allem ruchloseste aller Warlords im Irak. Man sollte Herrn Bush wirklich dafür in den Arsch treten, daß er diesem Bin LadenVerbündeten eine solche Operationsbasis wie den Irak verschafft hat. Die einzige pragmatische Lösung ist ohne Zweifel der sofortige Rückzug sämtlicher Koalitionstruppen, wie dies auch in diversen Briefen von Angehörigen der aus falschen Gründen in den Irak gelockten amerikanischen Soldaten hervorgeht: George Bush is the True "Evil-Doer" here and his Administration is the "Axis of Evil"
Index Februar März April Mai Juni Juli August September November Dezember
No Responsibility for Links
|