Thomas Pynchon Against The DayChapter by Chapter Scene Guide
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Der Flug über Chicago
Um das Gelände der Weltausstellung zu erreichen, muss die
Inconvenience
große Teile der Stadt Chicago überfliegen, "The Great Bovine City of
the World" (10). Dabei können sich die "Chums" nicht vor den
Ausdünstungen schützen und nehmen das riesige Schlachthaus auf eine
Art und Weise wahr, wie sie wohl nur wenigen Menschen zuteil geworden ist:
As they came in low over the Stockyards, the smell found them, the smell and
the uproar of flesh learning its mortality (
). From this height it was as
if the Chums, who, out on adventures past, had often witnessed the vast herds
of cattle adrift in everchanging cloudlike patterns across the Western
plains, here saw that unshaped freedom being rationalized into movements only
in straight lines and at right angles and a progressive reduction of choices,
until the final turn through the final gate that led to the killingfloor.
Die Rationalisierung des Todes als Ergebnis der Verbreitung des puritanischen
Weltbildes war bereits in "Die Enden der Parabel" Pynchons Thema. Dort wird die
Behauptung aufgestellt, dass das christliche Europa
"schon immer Tod bedeutet"
hat,
"Tod und Verdrängung"
(497), weshalb es nur logisch ist, dass die Hereros, vor die Alternative
gestellt, den Stammestod dem christlichen Tod vorziehen, der für sie
keinen Sinn macht:
It was a simple choice for the Hereros, between two kinds of death: tribal
death, or Christian death. Tribal death made sense. Christian death made no
sense at all.
Die überwiegend katholischen Arbeiter der Schlachthöfe, die das
Luftschiff wahrnehmen, erwarten von einem irgendwie gearteten Besuch aus dem
Himmel auch nicht notwendigerweise etwas Gutes, womit wir wieder bei Pynchons
Rilkeschen Engeln, die Racheengel und keine Schutzengel sind, angelangt
wären,
"imagining a detachment of not necessarily helpful angels"
(ATD 10,1112). Wie sagt
Rilke doch gleich in der ersten
Duineser Elegie:
"Ein jeder Engel ist schrecklich."
Die Herkunft der "Chums of Chance" und die dunkle BedrohungDas Kapitel endet damit, dass die "Chums" von der Besatzung eines anderen Luftschiffes ihrer Organisation über eine dunkle, kaum näher zu bestimmende Bedrohung informiert werden, während wir, die Leser, etwas über den Hintergrund der "Chums of Chance" erfahren, die "Garçons de 71," die während der deutschen Belagerung von Paris 1870/71 mit ihren Ballons die deutschen Linien überflogen und Post und Passagiere befördert und, als der aktuelle Krieg vorbei war, das "outfit" (ATD 19) für die Organisation der "Chums of Chance" gebildet hatten, weil sie zu der Erkenntnis gelangt waren, dass es stets einen Bedarf an Blockadebrechern geben würde, weil der moderne Staat zu seinem Überleben einen permanenten Belagerungszustand benötigte:
Auffallend ist der erschreckend aktuelle Bezug dieser Zeilen, wenn man sich Begriffe wie den "Krieg gegen den Terror" sowie die "Festung Europa" vor Augen führt. Ich bezweifle allerdings, dass es Pynchon darum vordergründig geht. Wir erfahren vielmehr bereits zu Beginn des Romans von einer neuerlichen Version von Pynchons Grundthema, des "Eindringens einer fremden Welt in unsere Welt" (Douglas Fowler). Die "Freunde der Fährnis" müssen erfahren, dass "da draußen" anscheinend etwas Unerklärliches ist, das die Luftschiffer ins Visier genommen hat:
Was "da draußen" ist, werden wir wohl nicht erfahren, denn das Geheimnis, einmal enthüllt, ließe sich dann nicht weiter dazu verwenden, Spannung zu erzeugen. Wenn aber der (nur für uns?) leere Raum "da draußen" bewohnt ist, dann kann das nicht in den drei Dimensionen der Fall sein, in denen wir für gewöhnlich unsere Behausungen errichten. Man fragt sich, was für bewohnte Dimensionen das sein mögen, die wir nicht kennen, und wer es ist, der dort lebt.
LiteraturDouglas Fowler, "A Readers Guide to Gravitys Rainbow," Ann Arbor, Michigan, 1980.Rainer Maria Rilke, "Duineser Elegien, Die Sonette an Orpheus", Suhrkamp, Ffm. 1996. |
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