Gravitys Rainbow Episode 1(9-16) (3-7)(Seitenzahlen: 1. Zahl: Rowohlt 1981, 2. Zahl: Viking 1973)
Die Zeit ist Montag, der 18. Dezember 1944, der Ort ist London: Evakuierung,
Eisenbahn, Krieg.
Ein
Anfang:
die Umkehrung der binären Oppositionen: Norden versus Süden, Winter
versus Sommer, Tod versus Leben, Elect versus Preterite,
Rilke,
der Traum des
Geoffrey Pirate Prentice,
das
Tarot,
der Punkt Null
(Zero),
Schwerkraft versus Fliegen:
Incoming mail from the Netherlands,
V2
die Rakete als zentrale Metapher des Romans,
das kosmische Netz.
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Ein AnfangFast alle Bilder in Gravitys Rainbow lassen sich erschließen, wenn man die Struktur der binären Oppositionen für den Roman zugrundelegt, wie sie aus der poststrukturalistischen Literaturtheorie abgeleitet werden kann (siehe Dekonstruktion ). Eine fundamentales Gegensatzpaar ist hierbei die Dialektik von Textwelt und wirklicher Welt.Im ersten Kapitel seiner Aufsatzsammlung The Art of Fiction stellt David Lodge die scheinbar unsinnige und doch so wichtige Frage, wann eigentlich ein Roman beginnt. Der Eröffnungssatz, der den Leser an den Roman fesseln soll, spielt dabei natürlich eine zentrale Rolle, denn er soll den Leser in die imaginäre Welt des Autors hineinziehen: "( ) the beginning of a novel is a threshold, separating the real world from the world the novelist has imagined."Bei Pynchon ist diese imaginäre Gegenwelt des Romans die Welt der Gothic Literature, jene Schattenwelt des übernatürlichen Terrors, der unerklärlich und alptraumhaft, plötzlich und scheinbar ohne jeglichen Sinn über unsere Alltagsrealität hereinbricht wie ein Bombenangriff über eine friedliche Stadt. Der Roman beginnt denn auch mit dem Traum des Pirate Prentice, den der Horror der realen Welt, das von einer V-2 verursachte Geräusch, aus diesem weckt. Nach Douglas Fowler kann man keine literarische Gegenwelt präsentieren, ohne hierbei von dieser, unserer Welt als Startpunkt auszugehen: "There is no way to present any alternative reality to us without using this reality as a point of departure, or as a metaphor."In einer säkularisierten Welt, die nicht mehr an böse Geister glaubt, muß es eine andere Quelle für das Böse geben, das über uns hereinbricht. In der Science-fiction als eines der Subgenres der Gothic Literature ist dies oftmals die Technik, die stets ambivalent, zum Schaden oder zum Nutzen der Menschen eingesetzt werden kann. Doch während sich in Arkadi und Boris Strugatzkis Der ferne Regenbogen (1964) die Wissenschaftler gegen ihr Wissen und für die Menschen entscheiden, als ihnen ein Experiment aus dem Ruder läuft, sind bei Pynchon die Menschen selbst zur Verfügungsmasse der Wissenschaftler geworden, die, wie Wernher von Braun im Konzentrationslager Dora ihre Arbeit bar jeder Moralität verrichten. Fowler weist ferner darauf hin, daß Gravitys Rainbow voll von Anspielungen auf Rilkes Duineser Elegien sowie Die Sonette des Orpheus ist (Fowler, p. 42 ), und wie ein Vergleich zeigt, scheint bereits der Eröffnungssatz des Romans eine Anspielung auf den Anfang der Ersten Elegie zu sein: "Ein Heulen kommt über den Himmel. Das ist früher schon geschehen, mit diesem aber läßt sich nichts vergleichen." (9)Dies sieht auch Richard Locke in seiner New York Times Buchbesprechung so und zitiert den Beginn der Elegien. "Who, if I screamed, would hear me among the angelic orders?Pynchons Imagination, die mit dem Eröffnungssatz beginnt, der eine versteckte Rilke-Anspielung darstellt, ist durch den Gegensatz zwischen unserer Welt und einer höheren Ordnung, dem "Other Kingdom", gekennzeichnet. Man darf sich dieses "Other Kingdom" aber nicht mit christlichen Heilsvorstellungen vorstellen, sondern muß den Maßstab wählen, den Rilke in Pynchons Lesart aufzeigt. Jeder Engel in Gravitys Rainbow ist schrecklich, ein Engel des Todes und lediglich ein Vertreter des "Other Kingdom," das keine Erlösung verspricht, sondern, wie wir noch sehen werden, Tod in mehrTod verwandelt. Pynchon kehrt die gewohnte jüdischchristliche Vorstellung von Engeln, die wir unseren Kindern erzählen, um. Die Vorstellung des Schutzengels, des Guardian Angels, wird in ihr Gegenteil, den des Racheengels verkehrt. Weiterhin ist in diesem Zusammenhang festzustellen, daß Pynchon mit diesem Verweis auf Rilke gleichzeitig William Gaddis seine Referenz erweist, der den ersten Teil seines Romans Die Fälschung der Welt mit diesem Rilke-Zitat beendet.
Der Traum des Geoffrey Pirate PrenticeWarum beginnt Pynchon diesen Roman von einem jenseitigen Königreich, das keine Erlösung, sondern nur die Apokalypse verheißt, mit einem Traum, einem Alptraum sogar? Nun nach Nietzsche ist jede Religion, jede Vorstellung von einer anderen als dieser Welt im Traum begründet:"Im Traum glaubte der Mensch in den Zeitaltern roher uranfänglicher Kultur eine zweite reale Welt kennenzulernen; hier ist der Ursprung aller Metaphysik. Ohne den Traum hätte man keinen Anlaß zu einer Scheidung der Welt gefunden. Auch die Zerlegung in Seele und Leib hängt mit der ältesten Auffassung des Traumes zusammen, ebenso die Annahme eines Seelenscheinlebens, also die Herkunft alles Geisterlebens und wahrscheinlich auch des Götterglaubens. «Der Tote lebt fort, denn er erscheint dem Lebenden im Traum»: so schloß man ehedem, durch viele Jahrtausende hindurch."Wie Nietzsche geht es Pynchon darum, jegliche metaphysische Vorstellung zu dekonstruieren und ihre mythologischen Grundlagen zu demonstrieren. Normalerweise erlöst uns das Aufwachen aus einem Alptraum. Prentice hingegen erwacht nicht nur aus einem Alptraum; nach dem Erwachen findet er sich im Alptraum des Zweiten Weltkrieges und der konkreten Bedrohung durch die V2 wieder. Die Technik, seinen Protagonisten zu Beginn des Romans aus einem Traum erwachen zu lassen, wiederholt Pynchon in Vineland. Hier erwacht Zoyd Wheeler aus einem Traum und sieht sich einer bösartigen, übermächtigen Bedrohung ausgesetzt.
TarotNeues Testament und Tarot, also christlichen und heidnischen Aberglauben, vereint Pynchon in den Anspielungen auf das Tarot. Seine Quelle für Tarotzitate ist Arthur Edward Waites Der Bilderschlüssel zum Tarot. Will man diese erste Episode dem Tarot zuordnen, so kommt nur die Karte Nr. 20, "Das Jüngste Gericht," in Frage. Zum einen spielt Pynchon direkt darauf an:"It is a judgement from which there is no appeal." (4)Schon vorher vergleicht er die Evakuierten in Pirates Traum mit den Preterite, den Übergangenen der Erlösung, den "second sheep" (9, 3), von denen schon Tyrone Slothrops Vorfahr, der Schweinezüchter William Slothrop im 17. Jahrhundert (ein Ketzer unter den häretischen Puritanern) behauptet hatte, daß es ohne sie in einem dialektischen, auf binären Oppositionen aufgebauten Universums gar keine Auserwählten, keine Elect geben könne. Deshalb müsse man auch die Preterite als heilig ansehen (Episode 54, p. 866-67, 555). Schließlich ist auch Luzifer ein gefallener Engel, der Teufel die binäre Opposition zu Gott, ohne den jener gar nicht denkbar wäre. Eine klassische Dekonstruktion polarer Gegensätze; und wir alle sind die Schafe, von denen Pynchon spricht. Für mich ist einer der Schlüsselsätze Pynchons zum Verständnis von Gravitys Rainbow in der Einleitung zu seinem Kurzgeschichtenband Slow Learner zu finden. Man spricht nicht einfach so über Alpträume, Raketen und Schafe und die Apokalypse, wenn man ein paar Jahre zuvor einen Roman wie Gravitys Rainbow geschrieben hat. "( ) der apokalyptische Showdown. ( ) Unser aller Alptraum, die Bombe. ( )Allen, die das Schweigen unseres Autors zu seinem eigenen Werk bedauern, sei diese (und andere, zu Werken anderer Autoren) Einleitung Pynchons ans Herz gelegt. Was Gravitys Rainbow angeht, ist damit schon eine ganze Menge darüber gesagt, was ihn zum Schreiben dieses Romans bewogen hat.
Zero - "to try to bring events to Absolute Zero " (10, 3)Die Null oder Zero steht in Gravitys Rainbow scheinbar für den Tod und das Ende aller Dinge. Mit dieser Metapher verbindet Pynchon eine Reihe sehr unterschiedlicher Bereiche. In der ersten Episode bezeichnet der absolute Nullpunkt den Temperaturbereich im physikalischen Universum, in dem kein Austausch zwischen Teilchen mehr stattfindet, also -273,15 Grad Celsius. Dies ist der Zustand der absoluten Negentropie. Es finden keinerlei «events» mehr statt. Andererseits, und hierauf weist Weisenburger hin, spricht auch Pavlov (dessen Forschungen in Gestalt von Ned Pointsman eine wichtige Rolle in Gravitys Rainbow spielen), in seinen Schriften vom absoluten Nullpunkt:"In Pavlovs ( ) writings ( ) the term assumes a parallel meaning Pynchon will soon reference:Wir haben es hier somit mit einer dreifachen Notierung der Null zu tun. Die psychologische wie die naturwissenschaftliche Definition können ohne weiteres auf den wirklichen Zustand des Todes übertragen werden: ein Fehlen von Reaktion auf äußere Stimuli.
Schwerkraft versus Fliegen Incoming mail from The NetherlandsDie Schwerkraft, die schon durch den Titel des Romans eine wesentliche Rolle spielt, wird von Pynchon in diesem ersten Kapitel ebenfalls doppelt eingeführt. Pirate Prentice rettet seinem Kameraden Teddy Bloat das Leben, als dieser betrunken und schlafend aus der Galerie stürzt (12, 5). Kurze Zeit später beobachtet er das Herannahen einer V2, die von einer Abschußrampe in den seit dem 10. Mai 1940 besetzten Niederlanden auf London abgefeuert wurde.Zu der Besetzung des Königreichs der Niederlande ist anzumerken, daß Hitler offenbar nicht wie Wilhelm II. daran dachte, daß ein Krieg auch verloren werden kann. Für ihn galt wohl von vorneherein die faschistische Doktrin, die Sieg oder Niederlage nicht beinhaltet, sondern auf Sieg oder Untergang basiert. Während der letzte deutsche Kaiser seinen Generalstab daran hinderte, unser kleines Nachbarland zu überfallen, um dort ins Exil gehen zu können, dachte Hitler gar nicht daran, den strategischen Vorteil, den die Gewalt über die Niederlande und Belgien bedeutete, nicht wahrzunehmen. Zwar wurde den niederländischen und belgischen Gesandten in Berlin noch am 26. August 1939 zugesichert, daß die Neutralität gewahrt würde, dieses Erklärung war jedoch unter den militärischen Gegebenheiten, den Briten einen möglichen Brückenkopf im Norden den Westwalls nehmen zu müssen, von vorneherein eine Lüge und Täuschung. Noch am Vorabend des Angriffs versicherte der niederländische Regierungschef Hendrik Colijn seinen Landsleuten in einer Rundfunkansprache, daß keine Gefahr bestehe und daß man beruhigt schlafen gehen könne. . . . Das Verbrechen dieses unprovozierten und nichterklärten Überfalls ist noch heute der Anlaß für Ressentiments und Mißtrauen gegenüber den Deutschen und Deutschland in den Niederlanden. Wir Deutschen sind "die Russen der Holländer," wie es ein unbekannter Niederländer unter Bezug auf unsere eigenen Vorurteile gegenüber dem russischen Volk einmal ausdrückte. Seit der napoleonischen Besetzung hatten die Niederlande keinen Krieg mehr geführt. Zwar war das Verhalten der deutschen Besatzer gegenüber den "arischen" Niederländern weniger barbarisch als erwartet (weniger barbarisch als anderswo in Europa), im Gegensatz zu den Deutschen nahmen die Niederländer allerdings sehr bewußt wahr, was mit den Juden geschah und schließlich waren die Deutschen direkt und alleine für alles Leid und alle Entbehrungen des Alltags verantwortlich, die der Krieg den Menschen brachte. Pirate Prentice gehört als Fallschirmjäger den legendären Commandos (SOE=Special Operations Executive) an, die hinter den deutschen Linien abspringen, Spionage und Sabotage betreiben und insbesondere an den V2 Abschußrampen interessiert sind. Die Übersetzung des Wortes Fallschirmjäger lautet Airborne: Menschen, die sich den Traum vom Fliegen ein klein wenig erfüllen, der Schwerkraft ein Schnippchen schlagen und vom Himmel auf die Erde springen.
Die Rakete als zentrale Metapher des RomansDie phallische Rakete ist zum einen das Zeichen des Versuchs, die Schwerkraft zu überwinden. Der alte Menschheitstraum vom Fliegen zeigte in der V2 und zeigt in den heutigen Interkontinentalraketen und Marschflugkörpern sein häßliches Gesicht, während es den Pionieren des Raketenbaus doch darum ging, zum Mond und (darüber hinaus) zu fliegen. Wernher von Braun wird zugeschrieben, daß er zu Hitler sagte, das man mit der in Peenemünde entwickelten Rakete dereinst zum Mond fliegen könne, worauf dieser geantwortet und seinen Vasallen daran erinnert haben soll, daß er keineswegs zum Mond, sondern nach London wolle.Die Rakete, deren Flug Prentice im ersten Kapitel beobachtet (wo sie eine V2 war, die London bedrohte), wird metaphorisch in der Zeit eingefroren und spannt einen parabelförmigen Bogen bis zum letzten Kapitel, wo sie eine Interkontinentalrakete ist, die uns alle bedroht. Andererseits erinnert die Rakete daran, daß alles, was sich von der Erde entfernt, auch wieder zu ihr zurückkehrt (what goes up, must come down), den berühmten 9,81m/sec. unterworfen ist. Transzendenz ist also auf technische Art und Weise nicht zu erreichen. Das gilt für die Romanfigur Weissmann wie für die realen Hippies. In diesem Sinne versteht die Kritik auch Pynchons Anspielungen auf LSD in seinem Kurzroman The Crying of Lot 49 (CL, 1965) und in Gravitys Rainbow als Kritik an der Drogenpolitik der amerikanischen Gegenkultur. Es ist jedoch so, daß die von Persönlichkeitsauszehrung betroffenen "Helden" Wendell (Mucho) Maas in The Crying of Lot 49 und Tyrone Slothrop in Gravitys Rainbow im Verlauf des jeweiligen Romans nicht sehr darunter zu leiden scheinen, daß sie ihr Ego verlieren, während sie beide vorher unter ihrem Ego ziemlich zu leiden hatten.
Insofern nimmt Pynchon die Gegenkultur zwar nicht von seiner ironischen Kritik
aus, eine einseitige Verherrlichung des Egos sowie des klar denkenden
Verstandes bedeutet seine Position jedoch auch nicht. Er scheint die Hippies
eher zu belächeln, weil sie glaubten, die kapitalistische
Weltverschwörung mit ihrer sanften Revolution bekämpfen zu
können.
"I only took what his freedom is worth to him,Aber zurück zum ersten Kapitel und zur Rakete. In dieser ersten Episode wird vor allem ein Aspekt betont, und zwar die reversed order, die zeitliche Umkehrung von Explosions- und Fluggeräusch der Rakete (7) infolge der dreifachen Schallgeschwindigkeit, mit der die Terrorwaffe auf Städte wie London, Antwerpen und Paris abgefeuert wurde. Diese Diskussion wird in der vierten und der achten Episode wieder aufgenommen. Zu dem Begriff Incoming mail (6), der hier auch eine Doppelbedeutung hat, mehr in Episode 2.
Das kosmische NetzDas kosmische Netz, in das alle Zusammenhänge eingebunden sind, wird an anderer Stelle ausgiebiger besprochen. Hier sei nur angemerkt, daß die einheitliche Feldtheorie, als Metapher gebraucht, so unterschiedliche Ideen wie die Relativitätstheorie und Quantenmechanik mit der moderner Sprachtheorie einerseits und buddhistischen Glaubensvorstellungen oder auch der Psychologie (Paranoia) andererseits vereint und das Pynchon ihr mißtraut, auch wenn oder gerade weil Gravitys Rainbow dieser Metapher gemäß aufgebaut zu sein scheint. Die Vorstellung eines allgegenwärtigen kosmischen Netzes ist eben kaum weniger beruhigend als die Idee eines allmächtigen Gottes oder einer allwissenden politischen Organisation (wie in Einheitsparteien oder Geheimdiensten), weil der Grad der individuellen Freiheit stets gegen Null geht.N. Katherine Hayles zeigt auf, daß der Text und damit Pynchon uns daran erinnern will, daß unsere Worte nicht die Wirklichkeit sind, für die sie stehen, sondern sprachliche Konstrukte, kognitive und nicht wirkliche Strukturen: "The texts unruliness makes the reader acutely aware that patterns are not merely perceived but constructed, thereby alerting us (or reminding us) that as we read, we are building a cognitive structure. At the same time, the unruliness insures that this cognitive structure cannot be complete or perfect. For all its frustration for the reader, the unruliness offers a way out of the central danger of authoritarian control and lifedenying organization."Ein System, dem wir alle, Leser und Autoren, nicht entkommen können, ist die Sprache, sonst müßten wir unsere Vorhaben, das Schreiben oder Lesen eines Buches, gleich wieder aufgeben. Man darf dabei aber nicht vergessen, daß die patriarchalische, auf dem hierarchischen System der binären Opposition von Signifikat und Signifikant beruhende Sprache, derer sich auch Pynchon bedienen muß, zwar ein Instrument der Herrschenden ist, der Text jedoch gleichzeitig auch darauf verweist, daß dieses Herrschaftssystem eben wegen seiner hierarchischen Doppelstruktur nicht perfekt ist, auch wenn die Herrschenden dies behaupten mögen. Pynchon, der das Vorwort zu Penguin Books Millenium Edition von 1984 (2003) geschrieben hat, folgt und erneuert hier die Warnung Orwells vor dem möglichen Mißbrauch der Sprache. Daß 1984 ein Schlüsseltext für Gravitys Rainbow ist, ist für mich unstrittig.
Andere Strukturmerkmale, die Pynchon schon in der ersten Episode metaphorisch
einführt, sind das kosmische Netz molekularer "rings and chains in
nets only God can tell the meshes of" sowie die "spiral
ladder/corkscrew ladder" (16, 6-7), die die Figur der Doppelhelix mit
ihren komplementären Basen als Grundlage der DNS-Struktur ins
Gedächtnis ruft. Die Spirale oder der Wirbel sind jedoch noch in anderer
Hinsicht bedeutsam für den Gesamtzusammenhang von
Gravitys Rainbow.
Jede Vortex enthält einen eliotschen "still point," das
Zentrum des Zyklons, in dem eine Ruhe herrscht, die Einfluß
auf das Bewußtsein eine Menschen nehmen kann, so daß dieses
erweitert, vielleicht aber auch nur in seinem
Wahrnehmungsbereich (ein anderer Abschnitt auf der Skala
möglicher Wahrnehmung, der Montagepunkt, von dem Carlos
Castaneda spricht) verändert oder auch das Unterbewußtsein
angesprochen wird. Nicht nur die Sufis, die Derwische, verwenden diese Technik
in ihren Tänzen. John C. Lilly, TankExperte,
Delphin und LSDForscher, schreibt 1972 über diesen Punkt:
"( ) jener aufsteigende ruhige und spannungsfreie Ort, an dem man lernen kann, wie man ewig lebt. Überall außerhalb dieses Zentrums tobt der Sturm des eigenen Ego, das mit anderen Egos wetteifert im Rundtanz wütender Raserei. Verläßt man das Zentrum, so wird man vom Heulen des Sturmes um so heftiger betäubt, je mehr man bei diesem Tanz mitmacht."Prentice kann diesen Punkt erreichen, er pfeift nicht, wenn er pißt (Shea/Wilson), sondern tut dies "without a thought in his head" (6). Zu seiner militärischen Spezialausbildung gehörten auch Meditationstechniken, die ihn befähigen, seinen Kopf von allen störenden Gedanken des Egos zu befreien (7). |
LiteraturWalter Dornberger: Peenemünde Die Geschichte der VWaffen, Ullstein, München, 2000.Rainer Eisfeld: Mondsüchtig Wernher von Braun und die Geburt der Raumfahrt aus dem Geist der Barbarei, Rowohlt, Hamburg 1996. Douglas Fowler: A Readers Guide to "Gravitys Rainbow", Ann Arbor, Michigan, 1980. N. Katherine Hayles: The Cosmic Web Scientific Field Models and Literary Strategies in the Twentieth Century, Cornell University Press, Ithaca and London 1984. David Lodge: The Art of Fiction Illustrated from Classic and Modern Texts, Penguin, London 1992. John C. Lilly: Das Zentrum des Zyklons Eine Reise in die Inneren Räume, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1976. David Lodge: Die Kunst des Erzählens Illustriert anhand von Beispielen aus klassischen und modernen Texten, Diana Verlag, München und Zürich 1998. Friedrich Nietzsche: Werke, 1967, 1981, Carl Hanser Verlag, München, Wien, Zweitausendeins, Frankfurt o.J. Nachdruck der zweibändigen Ausgabe der Hanser Bibliothek. George Orwell: 1984, Centennial Edition, Plume, London 2003. Thomas Pynchon: Spätzünder Frühe Erzählungen, Rowohlt, Reinbek 1985/1994. Rainer Maria Rilke: Duineser Elegien, Die Sonette an Orpheus, Suhrkamp, Ffm. 1996. Robert Shea, Robert Anton Wilson: Illuminatus! Bd. 13 New York 1975, Bd. 1: Das Auge in der Pyramide, Basel 1977, Bd. 2: Der goldene Apfel, Basel 1978, Bd. 3: Leviathan, Basel 1978. Arthur Edward Waite: Der Bilderschlüssel zum Tarot, Urania Verlag, Neuhausen 1978. Steven Weisenburger: A "Gravitys Rainbow" Companion Sources and Contexts for Pynchons Novel, The University of Georgia Press, Athens & London 1988. |
LinksV2-Waffen-Terror "Vor 60 Jahren: Luftangriff auf Peenemünde. Speer verlegt V-2-Produktion unter Tage und läßt das KZ »Dora« bauen." Von Dietrich Eichholtz, Junge Welt, 16.08.2003.Peenemünde und von Braun zur Geschichte der V2. Buchliste Peenemünde, A4 (V2) und Geheimwaffen. Peenemünde und die "Wunderwaffe" V2 Linksammlung des Mitteldeutschen Rundfunks MDR. V2Rakete.de umfangreiche Webseite zur V2. V2Rocket.com eine ebensolche in englischer Sprache. Peenemünde touristische Informationsseite mit einigen aktuellen Fotos. |