Thomas Pynchon — Against The Day

Chapter by Chapter Scene Guide

1. The Light Over the Ranges — Chapter 1 (03–09)

Chapter 2

Tom Swift und die "Freunde der Fährnis"

Warum beginnen manche Geschichten auf einem Bahnhof — damit, dass jemand einen Zug besteigt und wegfährt? Abgesehen davon, dass eine lange Bahnfahrt eine prima Gelegenheit ist, eine Rückblende einzubauen, in der geschildert wird, wie es dazu gekommen ist, dass unsere Figur den Zug bestiegen hat, geht es doch im wesentlichen darum, dass die Dinge in Bewegung geraten und die Story ins Rollen kommt. Das letzte Kapitel von "Gravity’s Rainbow" endete mit dem Aufstieg und Sturz der Fünffachnullrakete und so ist es eigentlich nur logisch, dass der neue Roman von Thomas Pynchon mit einem Start beginnt: "Now single up all lines!", hebt er an" 1 — so stellt auch der Kritiker fest und fragt an anderer Stelle: "wo, bitte, ist der rote Faden?" 2

Der rote Faden in diesem Buch sind die "Chums of Chance", die Besatzung des wasserstoffbetriebenen Luftschiffs Inconvenience, deren Start zur Weltausstellung in Chicago 1893 wir zu Beginn des Romans miterleben. "Against the Day", so der Kritiker Denis Scheck,

"ist unter anderem eine kurze Geschichte der Genreliteratur, also von Science–Fiction und Fantasy, dem Abenteuer–, Horror–, Western– und Detektivroman. Pynchon imitiert und persifliert die Großmeister dieser Genres von Jules Verne über H.P. Lovecraft, Edgar Rice Burroughs, Jack Williamson, Isaac Asimov und Robert A. Heinlein bis zu Zane Grey, überbietet und übertrumpft sie an phantastischen Einfällen und unterläuft so souverän alle Erwartungshaltungen, wie denn ein historischer Roman, dessen Handlung im wesentlichen zwischen der Weltausstellung von Chicago 1893 und 1914 spielt, heute aussehen könnte" 3

Für Scheck aber ist das

"spektakulärste Kabinettstück dieses in seinem überbordenden Reichtum an eine phantastische Wunderkammer erinnernden Romans (…) Thomas Pynchons Referenz an die technikbegeisterte Abenteuerliteratur der Jahrhundertwende: die "Chums of Chance", fünf Luftschiffer an Bord der "Inconvenience".

Diese "Chums of Chance" aber, die in der deutschen Übersetzung nicht einfach "Kumpel des Glücks", sondern "Freunde der Fährnis" 4 heißen werden, sind in der Tat weniger eine Referenz an als vielmehr tatsächlich eine Persiflage auf Kinder– und Jugendliteratur, wie sie von Edward Stratemeyer (04.10.1862–10.05.1930) und seinem Stratemeyer Syndicate 5 auf den Markt gebracht worden sind. Einer dieser technikbegeisterten Romanhelden, dessen Abenteuer zwischen 1910 und 1941 unter dem Firmenpseudonym "Victor Appleton" veröffentlicht worden sind, ist Tom Swift. 6 Ähnlich sieht es auch der Rezensent William Logan: "The Chums are the Tom Swift books rewritten by James Clerk Maxwell and Buster Keaton." 7

"Ghostwriter" der ersten fünfunddreißig Tom Swift–Bände bis 1932 war Howard Roger Garis (25.04.1873–06.11.1962), der auch "Tom Swift And His Airship" (1910), den dritten Band der Serie verfaßt hat, in dessen fünftem Kapitel Tom Swifts Luftschiff mit einem Turm kollidiert (s.a. Chapter 21, p. 256). Garis war auch der Autor der anderen beiden Tom Swift Bücher, auf die Pynchon vor sehr langer Zeit schon einmal verwiesen hat, genauer gesagt in The Secret Integration ("Die heimliche Integration") aus dem Jahr 1964. 8

Die anderen zwei Tom Swift Bücher, auf die Pynchon in seiner frühen Short Story — die zu Recht als die gelungenste Erzählung in "Slow Learner" gilt — einmal direkt und einmal indirekt verweist, sind "Tom Swift and his Wizard Camera" und "Tom Swift and His Aerial Warship", das folgendermassen beginnt:

CHAPTER ONE — TOM IS PUZZLED
"What’s the matter, Tom? You look rather blue!"
"Blue! Say, Ned, I’d turn red, green, yellow, or any other color of the rainbow, if I thought it would help matters any."
"Whew!"
Ned Newton, the chum and companion of Tom Swift, gave vent to a whistle of surprise, as he gazed at the young fellow sitting opposite him, near a bench covered with strange–looking tools and machinery, while blueprints and drawings were scattered about.
(Victor Appleton, "Tom Swift and His Aerial Warship" — Gutenberg e–text)

Bei Grover, dem Leser dieser Bücher, kommt Tom Swift nicht eben gut an:

Er stieß ständig auf diese Tom–Swift–Bücher, scheinbar durch Zufall, obwohl er kürzlich die Theorie aufgestellt hatte, daß es sich um ein Komplott handelte: daß die Bücher auf ihn stießen und daß seine Eltern und/oder die Schule zutiefst in die Angelegenheit verwickelt waren. Tom–Swift–Bücher waren ein offener Affront gegen ihn, so als erwarte man, daß er in einen Wettbewerb einträte, noch bessere Erfindungen machte und noch mehr Geld damit scheffelte und es klüger investierte als Tom Swift ...
"Ich hasse Tom Swift", kreischte er.
"Dann hör doch auf, diese Bücher zu lesen", schlug Tim vor.
Das aber konnte Grover nicht; er versuchte es, aber er konnte nicht damit aufhören. (…) Es war eine Sucht; er wurde verfolgt von Kampfluftschiffen und elektrischen Gewehren. "Das Zeug ist gräßlich", sagte er, "der Bursche ist ein Angeber, er redet komisch, und er ist ein Snob und ein" — er schlug sich vor die Stirn, bis ihm das Wort einfiel — "Rassist."

(Thomas Pynchon, Die heimliche Integration, "Spätzünder", Reinbek 1984, pp. 174–75)

Es gibt fünf "Chums" sowie den unvermeidlichen pynchon’schen Hund an Bord der Inconvenience:

— Randolph St. Cosmo, "ship commander"
— Darby Suckling, "factotum and mascotte"
— Lindsay Noseworth, "second–in–command" und "Master–at–Arms"
— Miles Blundell, "Handyman Apprentice"
— Chick Counterfly, "newest member of the crew"

Der Hund heißt Pugnax und liest den Henry James’ Roman "The Princess Casamassima" (1886). In dem Roman geht es um einen jungen Mann, dessen Mutter seinen Vater ermordet hat und der daher von einer Freundin seiner Mutter, einer ärmlichen Näherin namens Miss Pynseth, adoptiert wird und erst am Sterbebett seiner Mutter von seiner Herkunft erfährt. Er wird zum Anarchisten, erschießt aber am Schluß nicht das Opfer seines Anschlags, sondern sich selbst.

Literatur
1 Sebastian Fasthuber, Von A(narchie) bis Z(eta-Funktion): "Against The Day", Der Standard, 5./6./7.1.2007.
2 Sebastian Fasthuber, Höhenflug am Horizont der Hölle, Der Standard, 30./31.12.2006/1.1.2007.
3 Denis Scheck, Ein Roman als Wunderkammer, Deutschlandradio Kultur, 10. Januar 2007.
4 Jens–Christian Rabe, Ein Meister legt den anderen aus, Süddeutsche Zeitung, 11.01.2007.
5 Wikipedia contributors, "Stratemeyer Syndicate," Wikipedia, The Free Encyclopedia,
https://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Stratemeyer_Syndicate&oldid=95962233 (accessed January 18, 2007).
6 Wikipedia contributors, "Tom Swift," Wikipedia, The Free Encyclopedia,
https://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Tom_Swift&oldid=93289251 (accessed January 18, 2007).
7 William Logan, Back to the Future: On Thomas Pynchon’s Against the Day, The Virginia Quarterley Review, Summer 2007, pp. 226–247.
8 Thomas Pynchon, The Secret Integration ("Die heimliche Integration") in: "Slow Learner" (Stories: 1959–1964), 1984 und: "Spätzünder" – Frühe Erzählungen, 1985/1994. Credits für diese Information gehen an Will Layman für seinen Beitrag vom 28.12.2006 .

Links
The Unofficial Tom Swift Homepage — Tom Swift 1910–1941 by Victor Appleton
Tom Swift Dust Jackets
Victor Appleton – "Tom Swift And His Airship" — Gutenberg E-text.
Victor Appleton – "Tom Swift and His Aerial Warship, or, the Naval Terror of the Seas" — Gutenberg E-text.
Victor Appleton – "Tom Swift and His Wizard Camera, or, Thrilling Adventures While Taking Moving Pictures" — Gutenberg E-text.
Victor Appleton – "Tom Swift in the Caves of Ice, or, the Wreck of the Airship" — Gutenberg E-text.
Victor Appleton – "Tom Swift and His Big Tunnel, or, the Hidden City of the Andes" — Gutenberg E-text.
"Slow Learner Group Reading 2002–2003 — auf der Pynchon Mailing Liste .
Henry James, "The Princess Casamassima"The Ladder: a Henry James Website .
The Chumps of Choice Blog — "A Congenial Spot for the Discussion of Against the Day, by Thomas Ruggles Pynchon, Cornell ’59, and Any Other Damned Thing That Comes Into Our Heads. Warning: Grad Students and Willie–Wavers will be mocked."
Against the Day Audio Sample — Part One, Chapter One, p. 4,15–5,33.

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