4. DIE SINFONIE IN fMOLL
Auf dem Dach des Gebäudes ragte ein Teleskoprohr auf, das von acht
Halbkugeln auf einem Metallring gekrönt wurde. Die mächtigen Akkorde
der Weltinformation erfüllten das Zimmer.
"Die Erörterung des von der Akademie für gelenkte Strahlungen
eingebrachten Projektes über die völlige Ersetzung der Druckschrift
durch Elektronenband", begann der Mann auf dem Bildschirm, "wird fortgesetzt.
Das Projekt findet keine allseitige Unterstützung. Der Haupteinwand ist
die Kompliziertheit der Leseapparate. Das Buch würde aufhören, dem
Menschen ein Freund zu sein, der ihn überallhin begleitet. Wahrscheinlich
wird das Projekt trotz aller scheinbaren Vorteile abgelehnt werden!"
"Da haben sie lange diskutiert!" bemerkte Dar Veter. "Auf der einen Seite die
verlockend einfache Möglichkeit der Bandaufnahme, auf der anderen die
Schwiergkeit des Lesens..."
Der Sprecher auf dem Bildschirm fuhr fort:
"Die gestrige Nachricht bewahrheitet sich, die siebenunddreißigste
Sternenexpedition hat sich gemeldet. Sie kehrt" Dar Veter erstarrte, vom
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Ansturm widersprechender Gefühle benommen. Er sah Weda Kong an. Seinem
feinen Ohr entging nicht ihr stoßweiser Atem. "aus der Richtung
des Quadrats vierhunderteins zurück; soeben hat das Schiff das Minusfeld
in drei hundertstel Parsek Entfernung von der Bahn des Pluto verlassen. Die
Verspätung der Expedition ist auf das Zusammentreffen mit einer schwarzen
Sonne zurückzuführen. Menschenleben sind nicht zu beklagen! Die
Geschwindigkeit des Schiffes", sagte abschließend der Sprecher,
"beträgt fünf Sechstel der Lichtgeschindigkeit. Die Expedition wird
nach unseren Berechnungen in dreiundvierzig Tagen auf der Station Tetra
eintreffen. Informationen über hervorragende Entdeckungen sind zu
erwarten."
Alle umringten Weda und beglückwünschten sie. Weda lächelte.
Auch Dar Veter näherte sich ihr. Sie fühlte den festen Druck der ihr
so vertraut gewordenen Hand und begegnete seinem offenen Blick. Und sie
wußte, daß er jetzt auf ihrem Antlitz nicht nur Freude las.
Dar Veter ließ still ihre Hand sinken, lächelte auf seine Art und
trat beiseite. Weda blieb im Kreise der anderen, beobachtete aber Dar Veter von
der Seite. Sie sah, wie Ewda Nal zu ihm trat und sich eine Minute später
auch Ren Boos dazugesellte.
"Wir müssen Mwen Mass suchen, er weiß ja noch von nichts!" rief Dar
Veter, als wäre ihm das plötzlich eingefallen. "Begleiten Sie mich
doch, Ewda. Auch Sie, Ren."
"Ich komme ebenfalls mit", sagte Tschara Nandi, "ich möchte noch ein wenig
an die Luft."
Sie schritten dem leisen Plätschern der Wellen entgegen. Dar Veter blieb
stehen und seufzte tief,
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das Gesicht dem kühlen Wind zugewandt. Als er sich umdrehte, traf er Ewda
Nals Blick.
"Ich fahre gleich von hier aus weg", antwortete er auf ihre stumme Frage. Eine
Zeitlang schritten alle schweigend weiter.
"Wo ist denn ihr Feund?" Tschara blieb am Wasser stehen.
Dar Veter blickte sich suchend um und bemerkte im hellen Mondlicht deutliche
Fußspuren auf dem nassen Sand.
Auf einem Felsbrocken gewahrten sie plötzlich Mwen Mass' Riesenfigur. Er
war eben dem Meer entstiegen, und sein nasser Körper glänzte im
Mondenschein wie polierter schwarzer Marmor.
Mwen Mass bemerkte die Näherkommenden, sprang vom Felsen und kam kurz
darauf angekleidet wieder zum Vorschein. In wenigen Worten erzählte ihm
Dar Veter, was sich ereignet hatte. Und Mwen Mass äußerte den
Wunsch, unverzüglich Weda Kong zu sehen.
"Gehen Sie mit, Tschara", meinte Ewda, "wir bleiben noch ein wenig hier."
Dar Veter winkte zum Abschied, und über Mwen Mass' Gesicht glitt ein
Ausdruck des Verstehens.
Dar Veter und Ewda wanderten bis zum Kap, das die Bucht vom offenen Meer
trennte. Hier wurden die Lichter einer SeeForschungsplattform sichtbar.
Dar Veter warf die Kleider ab und wand sie sich um den Kopf wie einen breiten
Turban. Er stand vor Ewda im Wasser, noch massiger und mächtiger als Mwen
Mass. Ewda stellte sich auf die Zehenspitzen und küßte den
scheidenden Freund.
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