Die
Schwänke des Naßr–ed–din

und

Buadem

von

Mehemed Tewfik

Mit Genehmigung des Verlegers aus dem Türkischen übersetzt
und stellenweise erläutert

von

Dr. E. Müllendorff


Leipzig

Druck und Verlag von Phillip Reclam jun.


Vorwort

Der Orientale liebt kurze Erzählungen heiteren Inhalts, und Anekdoten bilden den anziehendsten und am beifälligsten aufgenommenen Stoff der öffentlichen Erzähler in den Freudennächten des Fastenmonats Ramadan. Diese Anekdoten knüpfen sich nicht selten an Dichter und Philosophen des klassischen Altertums, am häufigsten jedoch an die Person des Naßr–ed–din. Dieser Mann, den man nicht mit Unrecht den türkischen Eulenspiegel genannt hat, lebte im vierzehnten Jahrhundert als Geistlicher und Lehrer (Chodscha) in Akschehir, zu deutsch „Weißstadt", woselbst man noch heute sein Grabmahl zeigt. Akschehir liegt in Kleinasien 29º7' östl. v. Paris und 38º 25' n.B. zwischen dem gleichnamigen See und dem Sultangebirge. Es wurde 1392 durch Sultan Bajesid erobert, der ebenda zehn Jahr später starb, nachdem er in der Entscheidungsschlacht bei Angora von Timurlenk besiegt und gefangen genommen worden war.

Wie beliebt die Schwänke des Meister Naßr–ed–din in der Türkei sind, das beweist der Umstand, daß nicht weniger als dreizehn türkische Sammlungen derselben existieren, von denen die älteste aus dem Jahr 1253 (1837) stammt. Die hier übersetzte ist die letzte. Sie erschien 1299 (1883) bei Arakel in Konstantinopel und zwar mit fünf Holzschnitten primitivster Art ausgestattet. Diese letzte Ausgabe ist aber auch die einzige, welche man dem deutschen Publikum unverstümmelt vorzulegen wagen darf. Denn alle älteren Sammlungen enthalten Späße so derber, schamloser Natur, daß sie eben eines türkischen Magens zu ihrer Verdauung bedürfen. In der Türkei aber werden gerade die plumpesten derselben am meisten belacht und anstandslos in der besten Gesellschaft und vor Frauen und Kindern erzählt.

Wenn nun Mehemed Tewfik, der Verfasser dieser letzten mit bedeutend besserem Geschmack ausgewählten Sammlung der Schwänke des Naßr–ed–din, noch in demselben Jahre eine Anekdotensammlung folgen ließ, welche sich an „Bu Adem" (auf deutsch: „Dieser Mann") anknüpft, so zwar, daß jeder einzelne Schwank mit den Worten „Bu Adem" beginnt, so werden wir in diesem „Buadem" keinen anderen, als eben jenen Naßr–ed–din zu erblicken haben. Demselben sind nun durch Mehemed Tewfik eine ganze Reihe von Schwänken, die sich in älteren Sammlungen nicht finden, neu beigelegt worden, jedoch giebt es auch etliche darunter, die vom Verfasser nicht erfunden, sondern älteren Sammlungen der Schwänke des Naßr–ed–din entlehnt sind, aus irgend welchem Grunde aber in der von ihm veröffentlichten Sammlung derselben keine Aufnahme gefunden haben. Aus diesen Gründen ist „Buadem" nicht bloß eine Fortsetzung, sondern auch eine Ergänzung der „Schwänke des Naßr–ed–din", und dieser äußere und innere Zusammenhang beider wird ihre formelle Vereinigung in einem Bändchen rechtfertigen.

B r e s l a u, im Februar 1890

Der Übersetzer


Einleitung


Der Meister Naßr–ed–din


Unser Meister Naßr–ed–din,*) der türkischen Nation angehörend, hat sich in der Welt einen solchen Ruf erworben, daß ich glaube, es existiert kein Greis noch Jüngling, der nicht schon von dem gelehrten Meister gehört hat, ja der nicht, ganz abgesehen von den von ihm erzählten Anekdoten, schon bei der bloßen Nennung seines Namens lächeln müßte. In neuerer Zeit sind sogar einige von seinen Schwänken ins Französische übersetzt**) worden, wodurch er auch den Europäern bekannt zu werden begonnen hat.

Wenn wir bei den dem Meister zugeschriebenen Anekdoten von einigen im Laufe der Zeit ausgemerzten Stücken absehen, so finden wir bei der Mehrzahl derselben in der Art des Scherzes nichts als den Ausdruck der Wahrheit und Weisheit. Deshalb verdient der Verewigte***) ein vollendeter, in der Schule der Natur gebildeter Philosph genannt zu werden. Sein Leib ruht in Akschehir,†) sein Name wird in jeder Stadt genannt.

Der Verewigte gehörte zu den hervorragenden Männern im Zeitalter des Fürsten Bajesid Jildirim.††) Einer seiner Nachkommen war zur Zeit Murad III*) nach Konstantinopel gekommen, wo er einen Posten als Registrator erhalten hatte, und wollte daselbst eine Petition einreichen, um auf Grund der Erklärung seiner Abstammung aus den kaiserlichen Stiftungen eine gewisse Summe zur Deckung seiner Übersiedelungskosten zu erhalten. Zu diesem Zwecke begab er sich nach dem Palast des Großwesir, ließ jedoch sein Pferd auf dem Platze vor demselben und band es an die große Trommel der Wache an. Das Pferd zog die Trommel nach sich und wurde dadurch scheu, und so mehr es scheute, desto mehr schleifte es dieselbe umher. Nun befanden sich zufällig an diesem Tage eine Reihe von Maultieren daselbst, die ebenfalls scheu wurden, wodurch ein solcher Tumult entstand, daß die Leute fragten: "Was ist das? Wer hat das angebunden?" Infolgedessen war jeder Zweifel ausgeschlossen, daß der zum Nachweis seiner Abstammung Kommende wirklich zu den Nachkommen des Verewigten gehörte, und mit den Worten: "Es bedarf weiter keines Beweises," wurde seinem Gesuche entsprochen.

Was die drolligsten und charakteristischsten der Schwänke betrifft, die wie geflügelte Worte im Munde aller sind, so ist die Mehrzahl derselben weder aufgezeichnet noch gedruckt worden.

Eien frühe gedruckte und auch ins Französische übersetzte Sammlung seiner Schwänke enthält leider nur die gewöhnlichen Anekdoten.

Eine große Anzahl von Schwänken, welche dem Verewigten zugeschrieben werden, aber in dem genannten Buche nicht enthalten sind, sind nun mit einigen aus gedruckten Werken entnommen vereinigt worden, und so wird dieses Werk zum erstenmale der Öffentlichkeit übergeben, wobei auf die Anfertigung der Abbildungen die größte Sorgfalt verwendet werden.

Tewfik


*) Wörtlich: Stütze des Glaubens. Siehe Vorwort.
**) Alle bisherigen, französischen und auch deutschen Übersetzungen dieser Schwänke stützen sich auf ältere Sammlungen, aus denen das Beste und für Europäer Genießbare ausgewählt zu haben das Verdienst Mehmed Tewfiks ist.
***) Hier und im Folgenden ist damit Naßr–ed–din gemeint.
†) Deutsch: Die weiße Stadt, eine Stadt in Kleinasien, ca. 100 km nordwestlich von Konia, dem alten Iconium, und am Nordosthange des Sultan–Dagh gelegen.
††) Der Wetterstrahl, Beiname des Sultans Bajesid I (1389—1402).
*) Regierte 1574—95.


Die Schwänke des Mullah Naßr–ed–din 1

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