Episode 68 (1098-1107) (700-706)

Zeit und Ort dieser Episode sind unbestimmt.

Tschitscherin ist allein und erinnert sich an eine Unterhaltung mit Wimpe, dem V–Mann von der I.G. Farben, in der dieser ihm erläuterte, daß auch der Marxismus eine Art von «Opium fürs Volk» sei und sich strukturell gar nicht so sehr von einer Religion unterscheide:

Young Tchitcherine was the one who brought up political narcotics. Opiates of the people.
Wimpe smiled back. An old, old smile to chill even the living fire in Earth’s core. “Marxist dialectics? That’s not an opiate, eh?”
“It’s the antidote.” (…)
“The basic problem,” he proposes, “has always been getting other people to die for you. What’s worth enough for a man to give up his life? That’s where religion had the edge, for centuries. Religion was always about death. It was used not as an opiate so much as a technique—it got people to die for one particular set of beliefs about death. Perverse, natürlich, but who are you to judge? It was a good pitch while it worked. But ever since it became impossible to die for death, we have had a secular version—yours. Die to help history grow to its predestined shape. Die knowing your act will bring a good end a bit closer. Revolutionary suicide, fine. But look: if History’s changes are inevitable, why not not die? Vaslav? If it’s going to happen anyway, what does it matter?” (701)

Der junge Tschitscherin war es, der zuerst auf die "Politik der Betäubungsmittel" kam: Opiate für das Volk.
Wimpe lächelte. Ein uraltes Lächeln, das noch den Glutkern der Erde abgekühlt hätte. "Und die marxistische Dialektik? Das soll kein Opiat sein?"
"Sie ist das Gegengift."
"Nein." (...) "Die Grundfrage", schlägt er vor, "war immer, wie man andere Menschen dazu bringt, für einen zu sterben. Was ist einem Menschen teuer genug, um ihn mit seinem Leben dafür bezahlen zu lassen? Und genau hier war die Religion im Vorteil, jahrhundertelang. Die Religion handelte immer vom Tod. Sie wurde nicht zur Betäubung eingesetzt, sondern eigentlich als Werkzeug — sie brachte Leute dazu, für eine bestimmte Kollektion von Ansichten über den Tod zu sterben. Pervers, natürlich, aber wer sind wir, um darüber zu richten? Es war ein guter Trick, solange er funktionierte. Aber seit es unmöglich geworden ist, für den Tod in den Tod zu gehen, haben wir eine westliche Version — eure. Sterben, um die Geschichte voranzubringen, auf ihrem Weg zum vorbestimmten Stadium. Sterben in dem Bewußtsein, daß dieser Akt der guten Sache ein Stück weiterhilft. Revolutionärer Selbstmord, prima. Aber jetzt schau: wenn die Wandlungen der Geschichte unausweichlich sind — warum dann nicht nicht sterben? Wjatscheslaw? Wenn ohnehin alles kommt, wie’s kommen muß, was macht’s dann aus?" (1099-1100)


Episode 67 Episode 69

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© Otto Sell – Wednesday, July 05, 2000
Last update Sunday, April 15, 2007

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