Thomas Pynchon — "Against The Day"
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Kessler liest den August: War DER MEISTER auf der amazon.com–homepage? — von Florian Kessler, lit06.de, 2006:

"Während Tag für Tag dem August näherrückt und noch viele, viele Monate bis zum Bucherscheinungstermin verstreichen müssen, bin ich zusehends enthusiasmiert, engagiere mich erst wenig, dann stetig mehr in einem Forum, in dem der Titel des angekündigte Romans, „Against the day“, auf literarische Hallräume untersucht wird. Ich träume von Pynchon, ich lebe in Pynchon (…)."

Thomas Pynchon: Neuer Roman vom großen UnbekanntenSpiegel Online, 24.07.06:

"Das lange Warten hat sich gelohnt: Nach fast zehn Jahren hat der geheimnisumwitterte amerikanische Kultautor Thomas Pynchon ein neues Buch angekündigt."

pynchon, geheimnis etc. – Wirklichkeit nachjustieren — von Tobias Rapp, taz, Nr. 8030, 25.07.06, S. 15:

"Es wirken mit: Anarchisten, Ballonfahrer, Spieler, Industriekapitäne, Drogenenthusiasten, Unschuldige und Dekadente, Mathematiker, verrückte Wissenschaftler, Schamanen, Psychotiker, Zauberkünstler, Spione, Detektive, Abenteuerinnen und Auftragskiller", das liest sich tatsächlich wie der Durchschnitts–Cast aller Pynchon–Romane. Und hatte Michael Naumann, Pynchons alter Verleger, vor sechs Jahren nicht schon angedeutet, der Meister arbeite an einem Roman über eine russische Abenteurerin, die Anfang des 20. Jahrhunderts bei David Hilbert in Göttingen Mathematik studiert? Was würde besser als Schlussstein zwischen "Mason & Dixon" und "Die Enden der Parabel" passen, als letzter Teil dieser Gegengeschichte der Aufklärung?"

Eine Reise in den Geist von P. — von Guido Graf, Die Welt, 29.08.06:

"Was also teilt Pynchon mit? Der neue Roman spiele von 1900 bis kurz nach dem Ersten Weltkrieg. Orte, verstreut über die ganze Welt, werden genannt, unter anderem auch eine so bedeutende Stadt wie Göttingen. Ein Hinweis, den wir seit ein paar Jahren schon durch den ehemaligen Kulturstaatsminister und eben auch ehemaligen Pynchon–Verleger Michael Naumann kennen. Naumann berichtete, dass Pynchon zu Recherchen in Deutschland war, insbesondere in Göttingen, wo der große deutsche Mathematiker David Hilbert gelehrt hat. Natürlich geht es, wie immer bei Pynchon, noch um viel mehr. Aber wie schon in seinen früheren Romanen nehmen Deutschland und die deutsche Geschichte eine Schlüsselrolle ein. Schließlich geht es Pynchon darum, zu beschreiben, wie wir technologisch und ökonomisch geworden sind, was wir sind – wie wir zur Überzeugung gefunden haben, dass alles berechenbar sei –, und wie wir vergessen konnten, dass diese Idee mit eben diesem Vergessen zu tun hat. Pynchon geht gut hundert Jahre zurück, erteilt allen Hoffnungen eine Absage, man könnte seine immer bis ins Groteske genaue Krisengeschichte mit dem Weltdesaster 9/11 aktualisieren – und will doch nicht weniger als die komplizierte Vorgeschichte erzählen. Dafür wendet sich Pynchon Deutschland, genauer: Göttingen zu. (…) David Hilbert war Mathematiker in Göttingen. Der nach ihm benannte Hilbert-Raum, ein Raum mit unendlichen Dimensionen, der später für die Quantenmechanik eine grundlegende Rolle spielte, kommt als Anspielung bereits in "Die Enden der Parabel" vor. Ein Doppel–Agent ist dort nach Hilbert benannt. Und von Hilbert aus schreibt Pynchon nun mit seinem neuen Roman "Against the Day" die Geschichte des Computers neu."

"Der Meister meldet sich wieder zu Wort" — von Tom Geddis, 10.10.06:

"Mit Against the Day meldet sich der Meister des Virtuosen wieder zu Wort. Wird es das letzte Werk des Autors gewesen sein? Pynchon, nun 69, weiß es wohl am besten. Doch wir, die Leser, gehen lieber davon aus, daß es nicht ein sein Werk abschließender Roman ist. Solange Thomas Pynchon sich guter Gesundheit erfreut, wird er (hoffentlich) weiterhin schreiben. Oder, was nachvollziehbar, aber Privatsache wäre, auf den Parties seiner Nichte erscheinen. Ohne Rechercheambitionen. Einfach, um sich zu amüsieren."

Einmal alles — von Jordan Mejias, FAZ, 20.11.06, Nr. 270, Seite 37:

"Amerikas Literaturkritiker haben einen Konditionstest zu bestehen. Noch etwas duselig stehen sie vor einem Berg, nein: einem unüberschaubaren, wild zerklüfteten Gebirge von einem Roman. (…) Der neue Pynchon: ein verkappter Optimist, in seiner Maßlosigkeit und Unbezwingbarkeit aber noch radikaler als der alte? Genau das müßte Musik in den Ohren seiner Fans sein. Elf Jahre haben sie warten müssen, jetzt fiebern sie seit Wochen dem Auslieferungstag von „Against the Day“ wie Junkies der nächsten Drogenlieferung entgegen. Ihr Rauschmittel ist Pynchons phantasmagorischer Stoffreichtum, der ihnen ebensolche Deutungen entlockt. Nach dem Vorbild der Gemeinschaftsenzyklopädie Wikipedia haben sie die Website pynchonwiki.com eingerichtet, die sich in den kommenden Wochen zu einem Brennpunkt der emphatischen Pynchon-Exegese entwickeln dürfte. Als Avatar kann der publikumsscheue Autor sich dann vielleicht doch noch unter seine Gemeinde mischen. Aber auch vor der cybertauglichen Aufbereitung und Debatte heißt es ganz altmodisch erst einmal: lesen!"

Die komplizierte Mayonnaise des Thomas Pynchon — von Uwe Schmitt, Die Welt, 20.11.06:

"Ein Heulen kommt über den Himmel: Amerikas Kritiker rätseln, was es dem neuen Roman von Thomas Pynchon auf sich hat, der am Montag in den USA erschienen ist. „Against the Day" breitet auf 1185 Seiten 30 Jahre Geschichte aus. (…) Die „Washington Post" sieht den Geist der Marx Brothers über dem Roman schweben. „Time" misst das Gewicht, „drei Pfund, sechs Unzen", an einem Toaster, der immerhin Toast herstelle; was bei „Against The Day" herauskomme, sei höchst unklar. In „Newsweek" gesteht der Kritiker, dass er nunmehr nach 400 Seiten genug Notizen für ein Buch habe und daher beschlossen habe, in Fortsetzungen zu rezensieren. Er wolle der treue Sherpa des Lesers sein, „aber auch ich war noch nie auf dem Gipfel dieses Romanberges". „Newsday" erinnert an T.S. Eliots Urteil über James Joyces „Ulysses". Es habe die Bedeutung einer „wissenschaftlichen Entdeckung"; Joyce sei für die Literatur, was Einstein für die Physik bedeute. „Against The Day" sei brillant, auf manche Weise blöde, „sehr wenige Menschen werden es zu Ende lesen". Er habe den Roman, „erregend, entnervend und erschöpfend wie alle seine anderen Romane zusammen", in wenigen Tagen verschlungen und könne die Erfahrung nicht empfehlen. Um die Seite 800 habe er das Gefühl gehabt, „dass mein Gehirn versucht, sich aus meinem Schädel zu kratzen". (…) Das Internet hat seine Verehrer in aller Welt zu einer Verschwörung der Exegeten zusammengeschlossen. Es gibt einen „Pynchon News Service" und etliche Webseiten mehr oder minder seriöser Herkunft."

Unterhändler der Gigantomanie — von Sebastian Moll, Spiegel Online, 21.11.06:

"Nimmt man die Reaktionen der Literaturkritik auf den elf Jahre lang erwarteten neuen Roman von Thomas Pynchon "Against the Day" als Gradmesser, dann hat Amerika eindeutig keine Geduld mehr für Avantgarde. "Gravity’s Rainbow" von 1977 – das Opus Magnum des mysteriösen Autors, den außer seinem mittlerweile verstorbenen Literaturprofessor Vladimir Nabokov nur wenige je gesehen haben – wird bis heute als paradigmatisches Werk der Postmoderne gefeiert und an Hochschulen gelehrt; Pynchon wurde in den Achtziger und bis in die Neunziger Jahre hinein als der James Joyce unserer Zeit gefeiert. Jetzt hat man seine Faxen jedoch offenbar satt. Die "New York Times" beschwerte sich, dass die Tricks und Schachzüge auf den 1085 Seiten von "Against The Day" allzu vertraut seien. Pynchon, so die Kritikerin Michiko Kakutani, nerve mal wieder mit Unter–Handlungen und Unter–Unter– Handlungen und Unter–Unter–Unter–Handlungen, mit sich auflösenden Charakteren, narrativen Sackgassen, mit Sperrigkeit und vor allem mit seiner selbstgefälligen Gigantomanie. Nachdem er in seinem letzten Werk "Mason and Dixon" viele schlechte Gewohnheiten abgelegt und seinen Figuren sogar so etwas psychologische Tiefe gegönnt hatte, so Kakutani, sei der Meister nun wieder tief in alte Muster verfallen, von denen man eigentlich die Nase voll habe. Das Internet-Magazin "Slate" haut in dieselbe Kerbe. Intellektuelle Tiefe, schreibt Laura Miller dort, sei auch zu haben, ohne den Leser derart zu malträtieren. Autoren wie David Foster Wallace oder Neal Stephenson hätten demonstriert, dass es möglich ist, gleichzeitig die Welt zu erklären und eine gute Geschichte zu erzählen. Pynchon, so Miller, werde von seinen eigenen Nachahmern bei seinem eigenen Spiel geschlagen. Das hört sich so an, als wäre Pynchon nicht dazu im Stande, sein monumentales Romangebäude zusammen zu halten, als würden ihm die zahllosen Erzählstränge und miteinander verwobenen Figuren, die Zeitsprünge und die Theorieversatzstücke schlicht entgleiten. Eine etwas seltsame Kritik an einem Schriftsteller, der vor 30 Jahren dafür gelobt wurde, das komplexeste Erzählgebäude aller Zeiten geschaffen zu haben. Ein Gebäude, dessen Erforschung Heerscharen von Literaturwissenschaftlern ihre gesamte Karriere widmen."

Pynchon in der Kritik: Denis Scheck wirft Literaturkritikern Schnellschüsse vor — Interview mit Denis Scheck, Moderation Karin Fischer, Deutschlandfunk, 21.11.06. Das Interview als Mp3–Datei:

"Es hilft ja alles nichts: Gewisse Kunstwerke erfordern nun einmal so viel an Aufmerksamkeit und schlicht und einfach auch an Lesezeit, dass dieses permanente Aus–der–Hüfte–Schießen, wie wir es von der politischen Agenda kennen, bei einem neuen großen Roman eines Autors wie Thomas Pynchon überhaupt nichts hilft. So war es schon vor bald zehn Jahren, als der letzte große Thomas–Pynchon–Roman erschien, "Mason and Dixon". Das sind schlicht und einfach Bücher, wo man als Literaturkritiker gut beraten ist, so ein, zwei, drei Monate schlicht und einfach das Maul zu halten, sie erst einmal zu lesen, zu verdauen und dann mit einer Kritik zu kommen. Und alle, die jetzt zum Erscheinungsdatum da schon vorpreschen, und auch alle Deutschen, die dann wiederum die amerikanischen Kritiken abschreiben, die machen literaturkritisch da nicht sonderlich bella figura. (…) Arno Schmidt sagte einmal, jeder Leser habe im Grunde nur eine Handvoll von Autoren, die ihn wirklich in den Bann schlagen, über die er dann wirklich alles wissen möchte, auch noch wenn es geht, den Namen des Hundes, den der Autor vielleicht als kleines Kind hatte und den er irgendwann begraben hat. So geht es mir mit Thomas Pynchon. Warum? Weil er für mich gültig formuliert hat, was das Leben im 20. und leider auch im 21. Jahrhundert bestimmt, nämlich das Gefühl einer Entfremdung, einer Paranoia, das Gefühl, dass Ideale, Utopien verraten wurden, dass an Stelle der Utopien eine gewisse Melancholie tritt. Das ist für Thomas Pynchon natürlich das Versprechen von Amerika, aber er baut auf diesen Utopieverlust auf, er kann den "moment in his possibility", wie er einmal schreibt, er kann den Augenblick mit seinen Versprechungen neu realisieren, indem er diesen utopischen Horizont in seinen Büchern neu öffnet und auch das Versprechen, das Amerika für uns Europäer einmal war, neu, aktualisiert, in die Gegenwart hinüberretten. (…) Don DeLillo, der gestern 70 Jahre alt wurde, formulierte einmal sehr schön in einem Roman, wenn ein Schriftsteller sein Gesicht nicht zeigt, wird er zur irdischen Manifestation der Weigerung Gottes, in Erscheinung zu treten. Und genau das ist mit Salinger und Thomas Pynchon passiert. Das ist eigentlich das, was wir vom Dichterpriester möchten, das ist die unausgesprochene Erwartung vieler Leser, dass der Dichter, im emphatischen Sinne, näher an der Transzendenzquelle, näher an Gott, ist.

Thomas Pynchon legt nach — von Christian Bos, Kölner Stadt–Anzeiger, 21.11.06:

"Aber wie ist denn nun "Against the Day"? Es ist zugänglicher als der vorhergehende Roman "Mason & Dixon", nicht so geradlinig wie "Vineland". Es ist auch nicht so böse und brillant wie "Gravity’s Rainbow", aber das hatte niemand ernsthaft erwartet. Es ist sehr lustig. Und es ist, soviel ist sicher, die monatelange Hingabe an seine Abertausende Geschichten wert."

Der Potter der Postmoderne: Thomas Pynchons neuer Roman stürzt die Kritiker in Verlegenheit — von Andrea Köhler, Neue Zürcher Zeitung, 23.11.06:

"(…) Pynchons Sirenengesang wird die Unkenrufe mühelos übertönen; auf die Fangemeinde wirkt alles aus seiner Feder wie eine Droge. Die Süchtigen haben im Internet eine Plattform nach dem Prinzip Wikipedia erstellt, auf der ausführliche Exegese betrieben wird (pynchonwiki.com). Und wenn auch manchem, wie etwa Louis Menand im «New Yorker», der Roman wie eine von Pynchon auf Pynchon verfasste Parodie vorkommt — bis auf wenige Ausnahmen spürt man in all den Kritiken jenen leisen Verdacht, den der Rezensent von «Newsday» offen ausspricht: Es könne sich bei diesem Buch wie bei Joyces «Ulysses» in Wirklichkeit um ein Meisterwerk handeln, dessen wahre Bedeutung erst die Zukunft oder auch eine nicht durch den Rezensionsdruck bestimmte Lektüre enthüllen werde."

Der Mäandertaler: Ordnung im Chaos: Thomas Pynchons neuer Roman ist sich selbst das größte Rätsel — von Peter Körte, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 26.11.06:

"Am Tag, als das Phantom zum ersten Mal in der Öffentlichkeit sprach, landete die Sonde Opportunity auf dem Mars. Und als sei die Wirklichkeit einer seiner Romane, attackierten gleichzeitig Rechtsextreme beim Weltwirtschaftsforum in Davos Globalisierungsgegner, und in Tiflis wurde Micheil Saakaschwili als georgischer Staatspräsident vereidigt. Es war der 25. Januar 2004, das Phantom stand auf dem Bürgersteig vor einem Schild "Thomas Pynchon’s House: Come On In!", es trug eine Papiertüte mit Sehschlitzen über dem Kopf, unter der sich eine Haartolle und vorstehende Schneidezähne abzeichneten, es sprach in ein Mobiltelefon und lobte Marge Simpsons ersten Roman: "Thomas Pynchon liebt dieses Buch fast so sehr, wie er Kameras liebt." Dann rief das Phantom in den vorbeiströmenden Verkehr: "Hey, hierher! Lassen Sie sich mit einem einsiedlerischen Autor fotografieren. Und nur heute gibt’s noch gratis ein Autogramm dazu!" (…) "Against the Day" ist (…) ein Roman, den man nicht einfach lesen oder rezensieren kann. Er stellt einem ständig die Frage, wie man ihn überhaupt lesen soll, wieviel Stoff man im Kopf behalten kann und muß, um der Handlung zu folgen, ohne sich selbst in eine Pynchon-Figur zu verwandeln. Aber noch gibt es ja keine Industrienorm für Romane wie zur Herstellung und Auszeichnung von Karamelbonbons. "Against the Day" zieht einen hinein und wirft einen wieder hinaus, er gleicht einem Internet ohne Suchmaschinen, wo man bloß auf einen Link klickt und sich weitertreiben läßt. Doch unterwegs passiert dem Buch dasselbe wie dem Luftschiff der "Chums of Chance": Das Vehikel verwandelt sich "in sein eigenes Reiseziel". Das ist vielen unerträglich, was man verstehen kann; der Gemeinde verschafft es Stoff für die nächsten Jahre. So wahrt der Unsichtbare seinen Nimbus: Er schreibt jetzt eher pynchonesk — und weniger wie Thomas Pynchon."

Das Phantom Thomas Pynchon wird nie den Nobelpreis für Literatur bekommen. Gelobt sei er dafür! — von Georg Diez, Die Zeit, 30.11.06:

"Thomas Pynchon ist der älteste Junge der Welt. Und er ist der jüngste 69–Jährige der Weltliteratur. Er ist so jung wie sein Lachen, dieses gut gelaunt gurgelnde Geräusch, dieses unverschämte Gelächter, das jetzt gerade wieder an allen vier Ecken der Welt anhebt, wo sein Buch – das manche an einen Toaster erinnert hat, weil es so dick ist, als ob es nicht schon früher dicke Bücher gegeben hat– in Amerika in den Läden liegt und leider auch in den Redaktionen, und nun müssen wir arme Redakteure uns damit abmühen, als gelte es, Kopernikus Einfallslosigkeit nachzuweisen oder Thomas Edison Altersstarrsinn. Wir schäumen und beben: Wir, die nie jung genug waren, um die Welt gesehen zu haben, wie Pynchon sie sieht – als einen zauberhaften Jahrmarkt, als ein Karussell außer Kontrolle, als eine Konstruktion, die man mit physikalischen Formeln beschreiben kann. Oder eben mit Sätzen, die dem Geheimnis dieser Welt nachlauschen. Aber wir können nicht hören, wir Kritiker. Oder wir wollen einfach nicht. Wir haben schon zu viel zu tun mit dem letzten Genie der Saison oder mit dem selig siechenden Philip Roth, wir bewundern John Updike, wie er sich in einen islamischen Terroristen hineindenken kann, und gönnen Orhan Pamuk im Chor den Nobelpreis. Pynchon wird nie den Nobelpreis bekommen. Gelobt sei er dafür! Denn er ist zu gewissenhaft, um moralisch zu sein nach Stockholmer Maßstäben; er ist zu tief vorgedrungen zum dunklen Beben dieser Welt, als dass er das anders vermitteln könnte als hell und schwebend; und vor allem ist er zu gelassen und zu heiter, um zu verzweifeln. Er ist, um es kurz zu machen, kein Schriftsteller für die Kritik, und wenn man das liest, was in Amerika über seinen neuen Roman Against the Day geschrieben wurde, dann scheint es so, dass vor allem Leute geschrieben haben, die ihn noch nie mochten und das jetzt endlich sagen können: Es zeigt sich aber vor allem, dass zwischen Pynchon und der Literaturkritik wohl schon immer ein Missverständnis war."

Höhere Mathematik und Kartoffelsalat — von Angela Schader, Neue Zürcher Zeitung, 02.12.06:

"Thomas Pynchon schreibt einen Allerweltsroman — im wahrsten Sinn des Wortes: Kurz vor dem Schluss von Thomas Pynchons neuem Roman wird eine Maschine in Gang gesetzt, die durch einen raffinierten elektrochemischen Prozess aus einer Fotografie nicht nur eine filmische Projektion von Vergangenheit und Zukunft der darauf abgebildeten Person ableiten kann, sondern obendrein auch alternative Lebensentwürfe; wobei wir nach über 1000 Seiten Lektüre wissen, dass diese zumindest im Kontext des Buches durchaus ebenfalls ihren Realitätsanspruch haben. Das soeben unter dem Titel «Against The Day» erschienene Werk des amerikanischen Kultautors im beschränkten Rahmen einer Rezension vorzustellen, ist zwar nicht ganz so unmöglich wie der eben geschilderte Prozess; doch hat man seine liebe Not, sozusagen in Umkehr desselben die historischen Dimensionen, wissenschaftlichen Substrate und auseinanderstrebenden Lebenswege der Erzählhandlung so weit zu bündeln, dass sie sich zu einem einigermassen kohärenten Bild arrangieren lassen. (…) Der eingangs vorgestellte Apparat, aber auch das technisch noch nicht ganz ausgereifte Trickkabinett eines Zauberkünstlers können im Roman solche multiplen Existenzformen generieren; und in dem Mass, wie dabei Identität und Zeit aufgelöst werden, wird auch der dreidimensionale Raum in Frage gestellt. Wer unter den Lesern sich nicht gerade der höheren Mathematik geweiht hat, wird sich freilich mit den Theorien — Vektor– und Quaternionenlehre — etwas überfordert fühlen, die Pynchon diesem Themenkomplex unterlegt; als Wegweiser durch den Roman wird man aus solchen Passagen immerhin etwa die Aussage mitnehmen, dass die Quaternionen die räumlichen Achsen als imaginär definieren und stattdessen den Primat des Zeitfaktors behaupten; oder dass sie eine rechnerische Ablenkung der Zeitachse um 90 Grad erlauben."

Freiheit ist Vergangenheit: der neue Pynchon: ein Fest des Anarchismus — von Dietmar Dath, FAZ, 07.12.06:

"Wozu nun diese enorme Anstrengung, vom Vergangenen mit Worten zu erzählen, die diesem selbst entnommen sind? Auf Seite 1077 steht die Antwort: „Die Welt endete 1914. Wie die geistlosen Toten, die nicht wissen, daß sie tot sind, ahnen wir nicht, daß wir seit jenem schrecklichen August in der Hölle leben.“ Ein Romancier von hohem Rang weigert sich, die Epoche abzubilden, in die es ihn und uns verschlagen hat. Er mag die Gegenwart nicht; sie ist ihm zu dumm und zu grausam. Er nimmt sich heraus, eben das mitzuteilen, mit einem heiteren und düsteren Kunstwerk, einer Totenklage. Wo die politische Gegenwart vor Alternativen stellt wie „Sicherheit oder Freiheit“, verweigert sich Pynchon der Entscheidung und spricht aus, daß Menschen, die vor solchen Alternativen stehen, längst beides verloren haben. Indem er sich auf nichts verpflichten läßt, was zeitgemäße Autoren glauben und verkünden sollen, erfüllt Thomas Pynchon seine Pflicht als Künstler."

So liest sich Pynchon — von Tobias Rapp, TAZ, 07.12.06:

1. Seit Anfang der Woche ist "Against The Day", der neue Roman von Thomas Pynchon, im Original auch in Deutschland erhältlich. Sie wollen ihn lesen? Nutzen Sie das Internet!
2. Sie können aber auch noch einen Augenblick auf die deutsche Ausgabe warten.
3. Tipp für Pynchon–Beginner: Die Reihenfolge ist egal, aber fangen Sie nicht mit "Die Enden der Parabel" an!
4. Thomas Pynchon gilt als ein schwieriger Autor. Lassen Sie sich nicht abschrecken! Und schenken Sie den Kritikern keinen Glauben!
5. Keine Angst: Egal, wie Sie Ihre Pynchon–Lektüre organisieren, Sie können gar nichts falsch machen.
6. Apropos Pop– und Gegenkultur!
7. Nur weil sich zwischen zwei Dingen keine gerade Linie ziehen lässt, heißt das noch lange nicht, dass sie nichts miteinander zu tun haben!
8. Achten Sie auf die Seeleute!
9. Beschäftigen Sie sich ein wenig mit Technikgeschichte.
10. Keine Angst vor sprechenden Hunden.
11. Machen Sie sich nicht zu viele Gedanken um Thomas Pynchon selbst!

»Now single up all lines!« Erste Reise in Thomas Pynchons real–imaginäre Spiegelwelt »Against the day« — von Goedart Palm, Glanz und Elend, Dezember 2006:

"Pynchons neues Mega–Opus »Against the day« provoziert wie immer die (nun netztechnisch aufgerüsteten) Spekulationen und sich überstürzenden Adhoc–Exegesen, um was es denn diesmal eigentlich geht. Wie soll Pynchons Viele–Welten–Literatur nichttrivial beschrieben werden, wenn ihrem enzyklopädischen Konstruktionsprinzip nach kaum anzugeben ist, wovon es nicht handelt? Lesen wir eine Lichterzählung manichäischer Antipoden, die indes metaphyisch und physikalisch gewitzter ist, als sie das offizielle amerikanische Kreuzzugsmodell seit 2001 als realpolitische Fabel konstruiert?"

Das große, wilde Spiel — von Matthias Matussek, Philipp Oehmke, Doja Hacker, Malte Herwig und Elke Schmitter, der Spiegel, 51/2006 — 18.12.06:

"Warum ist jeder neue Pynchon–Roman für mich ein Ereignis? Weil er der Tolstoi der Popkultur ist, der Epiker der LSD–Generation. Er löst allerdings seine Handlungsknoten nicht, sondern er verstrickt sie weiter, und seine Helden sind solche, die wir instinktiv mögen: die Träumer, die jugendlichen Draufgänger, die Tüftler, die Unterlegenen, die Wahnsinnigen, und sie schlagen sich durch eine wahnsinnige Welt."

Eine Tür ins Zentrum der Stadt: Thomas Pynchons riesiger Roman "Against the Day" spielt 100 Seiten lang auch in Göttingen — von Ronald Meyer–Arlt, Hannoversche Allgemeine Zeitung, 22.12.06:

"Nach 589 Seiten, also nach etwas mehr als der Hälfte des Buches, ist die Geschichte, die viel, viel mehr ist als nur eine einzige Geschichte, in Göttingen gelandet. Die Ankunft ist eher unfreundlich: "Smells like a Tannery" — "Hier riecht’s wie in einer Gerberei" beginnt die knapp 100 Seiten umfassende Göttingen–Passage in "Against the Day", dem großen und nur schwer durchdringbaren neuen Erzählwerk von Thomas Pynchon. Der Roman, der Stoff für fünf Romane bietet, ist gerade auf englisch erschienen, die deutsche Übersetzung soll im Frühjahr 2008 bei Rowohlt herauskommen. Die Zeit bis dahin werden die Übersetzer brauchen — und man muss sie nicht beneiden."

Höhenflug am Horizont der Hölle: Der jüngste Roman von Amerikas geheimnis–umflortem Kultautor Thomas Pynchon ist ein Monster: übergroß, vielköpfig, bösartig — von Sebastian Fasthuber, Der Standard, 29.12.06 (Print–Ausgabe, 30./31.12.2006/1.1.2007):

"Wie ambitioniert darf Literatur heute sein? Wie viel darf sie dem Leser abverlangen? Und wo, bitte, ist der rote Faden? Fragen, die sich bei einem Buch wie diesem aufdrängen. Einem Roman, der es sich erlaubt, unverschämt dick zu sein, praktisch die ganze Welt zu umspannen (sowie einige erfundene Orte und das mythische Shambhala) und ums Verrecken nicht auf den Punkt zu kommen. Problem, Problem, auch für die Kritiker: Thomas Pynchons Roman "Against The Day" lässt sich schlecht zu ein paar Stehsätzen zusammenfassen. Weil: zu viel Handlung, zu viele Figuren, Themen, Ideen und höhere Mathematik "galore". Und meilenweit keine Mitte oder gar eine erlösende Pointe in Sicht."

Hokuspokus im Harry–Potter–Stil — von Peter Münder, Berliner Zeitung, 03.01.07:

"Auf seine typisch-verspielte, weit ausholende Art hat Thomas Pynchon mit "Against the Day" einen ebenso amüsanten wie anstrengenden, pittoresken wie streckenweise enorm überfrachteten, prätentiösen Bildungsroman geliefert, der wie ein Rundgang durch ein karnevaleskes Panoptikum anmutet, in dem viele ausufernde Passagen mit flüchtig skizzierten, lemurenhaft vorbeihuschenden Figuren nur in homöopathischen Dosen genießbar sind."

Von A(narchie) bis Z(eta–Funktion): "Against The Day" — von Sebastian Fasthuber, Der Standard, 04. Jänner 2007:

"Auf Erkundigungen, warum man Tage und Nächte mit dem neuen Roman Thomas Pynchons verbringt, empfiehlt sich folgende Antwort, die einem seiner Adepten zugeschrieben wird: "Pynchon ist der größte Spaß, den man haben kann, ohne in vielen Staaten Gefängnis zu riskieren." Sicher: Pynchon lesen ist nicht nur ein verrückter Trip, es kann auch verflixt kompliziert sein. Seine Romane verstehen zu wollen gestaltet sich als langwieriger Prozess, in dem man ständig an den Start zurückgeworfen werden kann. Nicht weil für Pynchon im postmodernen Sinne alles ein Spiel wäre ("Leser, ärgere dich nicht"), sondern weil er uns nicht für dumm verkauft und die Schwierigkeiten, die beim Sich–Orientieren und Begreifen–Wollen entstehen, nicht leugnet. Das vorausgeschickt und vorausgesetzt, man erwartet keine einfachen Antworten, gibt es unter den zeitgenössischen Romanciers keinen besseren Welterklärer als Pynchon."

Ein Roman als Wunderkammer — von Denis Scheck, Deutschlandradio Kultur, 10.01.07:

"Against the Day" ist ein einzigartiges, das heißt durch und durch originelles Buch: in seinen besten Momenten emotional mitreißend und intellektuell brillant, anrührend, aber nie sentimental, mal todtraurig, mal brüllend komisch, bis zur letzten Seite so unvorhersehbar wie eine Achterbahnfahrt im Dunkeln. (…) Aus den ersten amerikanischen Kritiken zum neuen Pynchon sprach eine verblüffend aggressiv vorgetragene Antiintellektualität und ein mit Händen zu greifender Überdruss an einer Literatur, die mit der Sprache selbst experimentiert und komplexere Formen wagt, als man sie aus den im Jahresabstand vorgelegten Alterswerken von Philip Roth oder John Updike kennt. Ohnehin ist der amerikanische Zeitgeist augenblicklich allem Innovativen in der Literatur besonders wenig zugetan — so er es denn je wirklich war. (…) Aktueller als hier hat Pynchon nie geschrieben. Mir jedenfalls ist keine literarisch überzeugendere Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 bekannt als Pynchons poetisch eindringliche Beschreibung New Yorks durch einen amoklaufenden Berggeist. (…) "What It Means To Be An American" wird (…) einem Jungen als Aufsatzthema gestellt. Der Schüler, der die Niederschlagung des Streiks der Minenarbeiter in Colorado am eigenen Leib erfahren hat, löst die Aufgabe in einem Satz: "Es bedeutet zu tun, was man einem sagt, zu nehmen, was einem angeboten wird, und nicht zu streiken, damit man nicht von ihren Soldaten erschossen wird." Diesen Blick in den Spiegel muss man als Amerikaner erst einmal aushalten."

Live–Kritik "Against the Day" — Interview mit Denis Scheck, 10.01.07 (mp3–Datei).

Kugelblitz, Dynamit und Quaternionen — Welch ein Ärger, welch ein Jubel: Thomas Pynchons Roman „Against the Day“ ist ein Meisterwerk — und spaltet die Kritik — von Denis Scheck, Der Tagesspiegel, 11.01.07. Übernahme der Rezension von Denis Scheck vom 10.01.07.

Epos aus dem Geist der Mathematik: Friedrich Kittler deutet im Stuttgarter Literaturhaus Thomas Pynchons neuen Roman "Against the Day" — von Jan–Arne Sohns, Esslinger Zeitung, 10.01.07:

"Schön voll", sagt Kittler, als er den Saal betritt. Tatsächlich: Obwohl der Autor persönlich nicht anwesend ist, obwohl sein Buch äußerst schwierig zu lesen und noch gar nicht ins Deutsche übersetzt ist, sind deutlich mehr Zuschauer da als bei einem Erfolgsautor wie etwa Thomas Hettche vor einigen Wochen. (…) "Against the Day" träumt in Kittlers Deutung davon, den mythischen Urzustand mit den Mitteln der theoretischen Mathematik erneuert wiederherzustellen. Davon also, selbst nicht mehr Roman sein zu müssen, sondern wieder Epos sein zu können. Die Erlösung der Literatur aus dem Geist der Mathematik: Kittlers eigenes Denken und Pynchons Roman rücken hier ganz nah aneinander heran."

Thomas Pynchon: Drogen ohne Sucht — von Helmut Müller–Sievers, Frankfurter Rundschau, 18.01.07:

"Pynchon hat eines der haarigsten Probleme der Romantechnik gelöst, wie nämlich der Stillstand der Handlung im Dialog und umgekehrt der Stillstand der Reflexion in der Handlung aufgehoben werden können. Das "sagte er" gibt es bei ihm nicht mehr, oft wird man direkt aus dem Dialog in den Ort oder die Zeit, über die gerade gesprochen wird, transportiert, oft beginnen Dialoge mitten in den Beschreibungen, und Leute unterbrechen sich dauernd. Man weiß zwar so nicht immer genau, wo man gerade ist oder wer gerade spricht, aber irgendwie stimmt dann schon alles. Auch diese Technik ist dem Film abgeschaut und nach einer Weile wird sie ganz selbstverständlich. (…) Sollte man für diesen so vielgestaltigen Roman ein übergreifendes Thema angeben, so wäre es das aller großen amerikanischen Romane: die Suche nach innerweltlicher Erlösung. Kann man ohne auf Gott, die Verzweiflung oder die Askese zu verfallen, ein Leben in aller Fülle führen und zufrieden sterben? Pynchon bejaht diese Frage nicht nur in seinen Figuren und in seinem ungebrochenen Glauben an die Heilkraft von Sex&Drugs&Rock'n'Roll, sondern kräftiger noch in der Gabe seines Romans selbst. Drogengenuss ohne Kater, Sex ohne schlechtes Gewissen, Henry James (das Spätwerk) lesende Hunde: natürlich ist dies ein utopischer Roman. Doch die Stunden seiner Lektüre sind real und real beglückend. Leider aber auch unwiederbringlich. Die wirkliche Utopie wäre die Verfilmung von Against the Day. Regie: Jim Jarmusch. Musik: Tom Waits."

Ein Monsterpuzzle mit dem Geist der Marx Brothers — von "sda", Schaffhauser Nachrichten, 18.01.07:

"(…) Pynchons Grundthemen: Angst vor der undurchschaubaren, modernen Wirklichkeit und die Suche nach einer möglichen Ordnung für den Einzelnen im Wirrwarr der Geschichte."

Alles, was Strom ist: Nikola Teslas neuer Ruhm — von Ulrich Baron, Die Welt, 23.01.07:

"Wenn der geheimnisvollste Schriftsteller der USA und eine Ikone der Popkultur sich mit demselben Mann beschäftigen, will das etwas heißen. Wer also war dieser Nikola Tesla, den David Bowie in Christopher Nolans Film „The Prestige“ verkörpert und den Thomas Pynchon zu einer Gestalt seines jüngsten Romans „Against the Day“ gemacht hat? (…) Elektrischer Strom erlaubt es, quasi unbegrenzte Mengen von Energie über weite Entfernungen zu transportieren, um sie vor Ort einzusetzen. 1893 brachte sie dank Teslas Techniken die Weltausstellung von Chicago zum Leuchten, die Pynchons Helden zu Beginn von „Against the Day“ in ihrem Luftschiff ansteuern."

»Schau zu, dass es besser misslingt« — Der New Yorker Schriftsteller Paul Auster wird 60 Jahre alt. Ein Gespräch über den Zwang zu schreiben und über das intime Leben zwischen Leser und Autor.DIE ZEIT, 01.02.07 Nr. 06:

ZEIT: Andere Autoren bleiben an einem Buch hängen, ohne je fertig zu werden. Oder sie schreiben zehn Jahre daran, wie zum Beispiel Thomas Pynchon.
Auster: Aber dann legt er über 1000 Seiten vor…
ZEIT: Sie teilen mit ihm eine besondere Eigenschaft – Sie verlieben sich in das eigene Romanpersonal. Pynchon kann nicht loslassen von seinen Geschöpfen. Darum braucht er so lange, um einen Roman abzuschließen. Und Sie exportieren einige Ihrer Gestalten von einem Buch ins andere, in Bruchstücken und Anspielungen, aber manchmal auch ganz und gar (…)."

Wir knacken den Code der Welt — von Friedrich Kittler, Literaturen–Kultiversum, S. 22, März 2007:

Der Text geht auf einen Vortrag im Stuttgarter Literaturhaus am 8. Januar 2007 zurück.

Ein U-Boot im Wüstensand? — von Willi Winkler, Literaturen–Kultiversum, S. 14, März 2007:

"Mit dem neuen Buch, das den notfalls James-Bond-kompatiblen Titel «Against the Day» trägt und kaum vor Ende 2008 in deutscher Übersetzung vorliegen wird, überfordert er seine Verehrer wie gewohnt. Physikalisch sind die Reaktionen auf den jeweils neuen Pynchon-Roman immer gleich: Die Spannung wächst, sobald ein neuer angekündigt wird, Gerüchte über Thema und Personal machen die Runde, allerlei Halbwissen wird kolportiert, erhitzt wird über möglichst esoterische Fragen diskutiert, bis die Erregung unweigerlich zusammenfällt, wenn das Buch endlich da ist und ein Kritiker dem anderen versichert, er habe aber schon größere Zwerge gesehen, und früher sei Pynchon aber besser gewesen. Abgesehen davon, dass früher alles besser war, nicht zuletzt das kritische Urteil, verdankt die Welt (oder jener kleine Teil davon, der zu lesen versteht) Thomas Pynchon die anspruchsvollsten Bücher, die sich denken lassen. Da sie zugleich die komischsten sind und dieser Humor bei aller Liebe manchmal recht fragwürdig ist, weiß der von der handelsüblichen Ware eingedeckte Leser oft genug nicht, woran er bei diesem Autor ist."

Thomas Pynchon — Gegen den Tag — Verlagswebseite Rowohlt. Leseprobe (PDF).

Thomas Pynchon: Gegen den TagBookmarks–Magazin 05/2008:

"Und jetzt: Pynchons Nr. 6. Eine aberwitzige Geschichte auf 1596 Seiten, dünn und leicht gelbstichig wie Bibelpapier. Die Schrift auf dem Umschlag: gedoppelt. Das rote Siegel: kryptisch (vermutlich nur von professionellen Pynchonites zu entschlüsseln). Aber der Mann hat anderes im Sinn als simple Spielchen mit Spiegelungen, Doppelungen und parallelen Identitäten. Sein Konzept heißt Bilokation: Pynchons Romanfiguren können in zeitlich und räumlich getrennten Welten völlig unabhängige Leben führen. Derartige Zauberei ist exquisites Futter für die klandestin operierende Armee der Pynchon–Archäologen in aller Welt."

Im Gespräch: Pynchon-Übersetzer Nikolaus Stingl — — Bookmarks–Magazin 05/2008:

Q: "Mason & Dixon haben Sie allein übersetzt, Gegen den Tag gemeinsam mit Dirk van Gunsteren. Wie muss man sich die Zusammenarbeit vorstellen?"
A: "Schon wegen der Terminvorgaben war klar, dass ich es nicht allein schaffen konnte. Ich habe zunächst eine Umfangsberechnung gemacht, kalkuliert, wie lang das deutsche Manuskript sein wird. Dann habe ich einen versierten Übersetzer gesucht. Mit Dirk van Gunsteren habe ich schon mehrfach zusammengearbeitet. Als klar war, wer welchen Teil übernimmt, haben wir einen genauen Zeitplan entwickelt und dafür gesorgt, dass der Lektor die Seiten in der chronologischen Reihenfolge bekam. Bei der Übersetzung selbst haben wir uns vor allem über stilistische Fragen ausgetauscht. Auch über viele Begriffe, die einheitlich sein müssen, was große Sorgfalt erfordert."

Das Nachtgesicht der neuen Zeit — Thomas Pynchon legt mit «Gegen den Tag» das Opus magnum in seinem bisherigen Schaffen vor — von Angela Schader, Neue Zürcher Zeitung, 23.04.08:

"Was ist der Unterschied zwischen Kultbuch und Kultbuch? Nehmen wir Harry Potter: Drucklegung und Vertrieb unter strengen Sicherheitsmassnahmen, Sonderaktionen für den mitternächtlichen Verkaufsstart, Auflagen in Millionenhöhe. Nehmen wir Thomas Pynchon: Von «Gegen den Tag», mit fast 1600 Seiten das Opus magnum im bisherigen Oeuvre des amerikanischen Schriftstellers, werden 15 000 Exemplare aufgelegt, und die Pressechefin bei Rowohlt erwartet auch keine Wunder: Auf Profit dürfe man bei einem solchen Buch nur schon angesichts der Übersetzungs- und Produktionskosten nicht schielen, denn der Leserkreis für einen Autor wie Pynchon sei nicht beliebig erweiterbar. Einen Titel wie «Gegen den Tag» verlege man der Sache und auch dem Namen des Verlags zuliebe."

Sechzehndimensionales Puzzleteil — von Christian Bos, Kölner Stadt–Anzeiger, 28.04.08:

"Wer sich mit "Gegen den Tag" auf große Fahrt durchs Labyrinth begibt, ist jedenfalls für den Alltag auf unbestimmte Zeit verloren. Vielleicht bilden Pynchon–Leser auf diese Weise genau die Gegenkulturenklave, nach der seine Figuren so rastlos suchen."

Meisterwerk voll skurrilem Humor — rezensiert von Denis Scheck, Deutschlandradio Kultur, 02.05.08. Kritik: "Gegen den Tag" als mp3.

"Warum ist "Gegen den Tag" ein Meisterwerk? (…) Aktueller als hier hat Pynchon nie geschrieben. Er schildert ein Land des ungezähmten globalen Raubritterkapitalismus, ein Land, in dem jede politische Hoffnung stirbt. Diesen Blick in den Spiegel muss man erst einmal aushalten."

Neues aus Kalau — von Wiebke Porombka, TAZ, 02.05.08:

"Man kann es dann natürlich immer noch seltsam finden, dass Pynchon über eine Epoche der universellen Beschleunigung erzählt und gleichzeitig an der Verlangsamung des Lesers zu arbeiten scheint. Aber darin steckt vielleicht ein tieferer Sinn. Um den rauszufinden, müsste man mal wieder ein bisschen zu viel Bier trinken. Oder sind die Kellerkneipen etwa mittlerweile alle wegsaniert?"

Das Luftschiff erreicht heute Deutschland – Thomas Pynchons Roman ist da — von Tobias Schwartz, Märkische Allgemeine, 02.05.08:

"Das überbordende Großformat ist eine Form von Wirklichkeitsdarstellung und deren Hinterfragung. Pynchon beschreibt die Welt aus einer radikal labyrinthischen Perspektive mit historischer Bildungs– und Detailbesessenheit. Er schafft eine anarchische Welt der Unübersichtlichkeit, sprengt vorgetäuschte Ordnungen, fokussiert Brüche und Abgründe."

Jüngster Pynchon–Roman erscheint auf Deutsch — von Kristina Pfoser, Ö1 Morgenjournal, 02.05.08. Audio:

Während sich die weltweite Katastrophe schon am Horizont abzeichnet, beherrschen hemmungslose kapitalistische Gier, falsche Religiosität, tiefe Geistlosigkeit und böse Absichten an hohen Stellen das Bild. Derweil treibt der Autor sein übliches Spiel. Figuren unterbrechen ihr Tun, um größtenteils alberne Liedchen zu singen. Das schreibt Thomas Pynchon selbst im Klappentext.

Interview mit Dirk van Gunsteren: Post von Pynchon — Ein Phantom mit Humor — von Axel Henrici, STERN, 02.05.2008:

"Dirk van Gunsteren serviert feinsten Darjeeling–Tee und selbstgedrehte Zigaretten zum Interview. In seiner gemütlichen Wohnung in München–Neuhausen darf noch geraucht werden. Und überhaupt, das Leben als Pynchon–Übersetzer sei schöner als man denkt, sagt van Gunsteren. "Denn wann kriegt man schon eine derart charmante Antwort von einem weltberühmten Autor: 'Danke für Ihre Arbeit. Ich verlange nur, dass es im Deutschen besser klingt als im Englischen. (War nur Spaß!)'."

Ich finde bereits den ersten Satz des Romans dermaßen kongenial übersetzt, dass er besser als das englische Original ist.

Die ganz große Illusion — von Norbert Mayer, DIE PRESSE, 02.05.2008:

"Tief ist der Brunnen der Geschichten bei Thomas Pynchon, unerschöpflich sind seine Assoziationen. Menschen auf der Flucht und auf der Suche nach erlösenden Mysterien bevölkern die sechs Romane, die er seit 1963 veröffentlicht hat, sie kommen immer wieder in neuer Gestalt vor, geplagt von Verfolgungswahn und dem vernichtenden Urteil der Endlichkeit. (…) Thomas Pynchon hat einen monumentalen Roman geschrieben, seine Zeitreise durch die Moderne bringt uns die Schrecken des 20. Jahrhunderts aus der Retrospektive der wissensgläubigen Blüte des Kapitalismus vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges näher. Es ist ein nostalgisches Alterswerk, eine brillante Summa der bisherigen Romane, ein Kosmos im Chaos des Erzählflusses."

"Pynchon nicht auf Knien nähern" — von Sebastian Fasthuber, Der Standard, 03.05.2008:

"Sprachglück und Zeitdruck: Die Übersetzer Dirk van Gunsteren und Nikolaus Stingl über den Weg von "Against the Day" zu "Gegen den Tag" — im Interview".

Fundamente aus Dynamit — von Steffen Richter, Der Tagesspiegel, 03.05.2008:

"Die paranoia querulans, auch Querulantenwahn, ist nicht nur eine pathologische Disposition. Sie ist zugleich Triebkraft einer Kunst, die vor allem eines sein will: Einspruch gegen das Bestehende. Und wenngleich er sie seinen Figuren andichtet — es gibt kaum einen lebenden Schriftsteller, der selbst offensichtlicher mit dieser obsessiven Missbilligung der Realität geschlagen wäre als Thomas Pynchon. Deswegen kommt die Literatur mit jedem seiner Romane gleichsam zu sich selbst. Ein neuer Pynchon, das heißt: Bewusstseinserweiterung marsch! (…) Die Welt ist aus den Fugen. Thomas Pynchon sei Dank."

Thomas Pynchons abgedrehtes Universum — von Matthias Wulff, Die Welt, 03.05.2008:

"Nach zehn, zwanzig Seiten ist alles geritzt, das monströse Buch verliert seinen Schrecken. Liebe Leser, macht es euch bequem, scheint Thomas Pynchon zu sagen, ich erzähle euch etwas, was ihr nie in Gänze verstehen werdet, aber ich werde euch eine Ahnung geben von einer Welt, für die euch die Worte fehlen und leider auch irgendwann die Fantasie flöten gegangen ist."

Die Welt ist nicht genug — von Matthias Wulff, Die Welt, 04.05.2008:

"Pynchon erschuf in seinen Romanen schon immer Gegenwelten, Parallelleben, Zwischenreiche. In Volumen, Weitläufigkeit und Gelehrtheit ist "Gegen den Tag" wohl am ehesten mit "Enden der Parabel" zu vergleichen (…)."

Zweimal der gleiche Aufsatz mit unterschiedlichem Titel? Na, warum nicht, es geht ja um Pynchon und da ist Verdopplung, Spiegelung, Parallelisierung schon ok!

Das Phantom der Literatur — von Stephan Maus, DER STERN, Stern–Artikel aus Heft 18/2008:

"Gegen den Tag" zeigt die Geburt der Moderne mit all ihren Krämpfen, Hoffnungen und Ernüchterungen. Pynchon kleidet seine Empörung gegen den Ausverkauf der Utopien in eine ironische Erzählung voller Comedy–Einlagen. Auch in seinem neuen Werk erweist sich der 70–Jährige als Meister in der Beschwörung von Populärkultur. (…) Pynchon lesen ist wie ein Sabbatical von all dem Müll, der uns umgibt. Dieser Reichtum ist der Grund, weshalb Pynchon einer der meistkommentierten lebenden Autoren sein dürfte. Doch all die Exegeten haben bisher nicht erklären können, woher genau der verdammte Rock'n'Roll kommt, der in jedem dieser Romane vibriert."

Der Rock'n'Roll? Der kommt aus den binären Oppositionen, die Pynchon tanzen lässt wie ein DJ, der mit den Beats, die die binären Oppositionen des Rock'n'Roll ausmachen, seine Gäste tanzen lässt.

Ein Wunderwerk — von Fritz J. Raddatz, DIE ZEIT, 15.05.2008 Nr. 21:

"Der neue Roman von Thomas Pynchon ist ein überwältigendes Prosa–Gebirge. Es hat keine Logik — außer seiner eigenen. Die Wörter sind alle verbraucht. »Genial« sagt man heutzutage über eine Muschelsuppe oder das neueste Brillengestell; »Meisterwerk« nennt man von Buchmesse zu Buchmesse das allerorten bekakelte mickrige Romänchen, und ein »Ereignis« ist die Hochzeit von Filmsternchen, deren Namen schon am Tag der Feier vergessen sind. Wie also beschreibt man die brennende Lohe, das rasende Feuerrad von Thomas Pynchons Prosa? (…) Ich erlaube mir, (…) Kunde zu geben von einer fast einmaligen epischen Leistung, einem Wunderwerk moderner Prosa. Dieses Buch ist ein Gebirge, das kämmt den Himmel, das spießt die Gaukelwolken auf, es hat zu seinen Füßen Geröll, Geäst und Schlamm, und es birgt – manchmal – das Feuer, das dann als glühende Lava emporschießt. Zu erklimmen ist es kaum."

In andere Welten – Geisterstimmen — von Mario Scalla, FREITAG – die Ost–West Wochenzeitung.

Literarische Zumutung — von Jobst–Ulrich Brand, FOCUS, 19.05.08:

"Buch–Monster vom Literatur–Phantom: In seinem neuen Roman "Gegen den Tag" schickt Thomas Pynchon Amerika auf Höllenfahrt. Dieser Roman ist eine Zumutung. Ein Biest von einem Buch. Schwer zu bezwingen, unmöglich zu zähmen, kaum zu bewältigen. Es lässt einen nicht los, krallt sich fest, plättet, erdrückt. Allein der schiere Umfang schreckt ab. Fast 1600 Seiten umfasst "Gegen den Tag", der neue Roman des großen, genialen, verschrobenen US–Autors Thomas Pynchon, der jetzt (wunderbar ins Deutsche übertragen von Nikolaus Stingl und Dirk van Gunsteren) bei Rowohlt erschienen ist."

Seltsames Leuchten am Himmel — von Guido Graf, Frankfurter Rundschau, 20.05.08:

"Auf alles wirft Pynchon einen gewöhnlichen und einen außergewöhnlichen Blick, dringt damit tief in Zahlenwelten, in die Geschichte der Weichenstellungen für eine katastrophale Zukunft ein, und beide Perspektiven werden wie Lichtstrahlen in dieser Spiegelwelt noch einmal reflektiert. Vier Dimensionen, wie gesagt, wie die Unheil und Tod bringende Zahl Vier. Im Gefüge der Protagonisten des Romans und des übrigen Personals, in Bezug auf Orte und Daten, gibt es immer ein Vierermuster als Blaupause. Realität und Imagination vervielfacht Pynchon in sich steigernder Komplexität, doch mit Riemanns Zetafunktion im Hinterkopf zieht Pynchon eine Gerade durch die Geschichte, deren Zeitpfeil natürlich bis in unsere Gegenwart zeigt, eine Nullachse, die an jedem Punkt die Variante offenbart: es könnte auch ganz anders sein, ganz anders weitergehen. Das Spiel des Zufalls oder des Chaos berechnen zu können, so wäre der Horizont von Pynchons Roman zu beschreiben, würde das "Rückgrat von Wirklichkeit" offenbaren, das, was quer zu allem liegt, also "Gegen den Tag"."

Der Marlene–Dietrich–Trick — von Markus Gasser, Die Weltwoche, Ausgabe 24/08 (mit Audio–Link ):

"Der neue Roman der Literatur-Diva Thomas Pynchon ist monumental unlesbar. Warum aber lobt ihn die Kritik überschwänglich? (…)«Enttäusche deine Leser, und sie werden es dir danken» wurde zum Erkennungsmerkmal «grosser Literatur», und die Spannung verwies man in den Kriminalroman, der von nun an als trivial verschrien war. Die akademische Kritik sah ein, dass man ein Werk auch überschwänglich loben kann, ohne es begreifen zu müssen, und so wurde Pynchon für seinen ersten Eintausender, «Die Enden der Parabel», Mitte der siebziger Jahre zum James Joyce der Postmoderne hochnobilitiert. Alles Monumentale, das sich ein irgendwie experimentelles Ansehen gab, war von nun an en vogue, und mochte es noch so bieder oder mit geliehener Stimme sprechen wie ein David Foster Wallace, William T. Vollmann oder Richard Ford: Der Hype hatte begonnen, und Pynchon, «der grosse weisse Wal der amerikanischen Gegenwartsliteratur», schwamm vorneweg.Was an Mystik seiner öffentlichen Gestalt noch fehlte, besorgten ihm die Feuilletons, die noch immer für vorab kanonisch nehmen, was nur mit einer Elendsmühe zu entziffern ist. Dass sie dabei selbst zu Handlangern der grössten Marketingstrategie geworden sein könnten, die die Literatur bislang verzeichnet, kam ihnen nie in den Sinn: Der Name Pynchon — ausgesprochen mit einem Lollipop–O — und Stichworte wie «Tristero» und «Entropie» glichen den Geheimzeichen jener Katakombenzirkel der Entrechteten, mit denen Pynchon seine Romane bevölkert; wer ihn langweilig fand statt «pynchonesk», gehörte eben nicht dazu.Alles, was gegen ihn vorgebracht werden konnte, liess sich auch zu seinen Gunsten wenden: seine Romane — ein Chaos? Die Wirklichkeit war ein Chaos, und Pynchon spiegelte sie. Seine Romanfiguren — keine Individuen? Es gab ja auch in der Realität keine mehr. «Im System», wie es damals hiess, und zugleich ausserhalb zu sein, das war «Pynchon» — ein Triumph der kulturrevolutionär Enttäuschten und Versprengten, eine raketenhaft kolossal ragende Tatsache und doch unsichtbar nicht ganz von dieser Welt."

Ku–Klux–Klan und Kugelblitz — von Erich Klein, Falter, Wien, 24/2008 vom 11.6.2008 (Seite 25):

"Thomas Pynchon hat mit "Gegen den Tag" wie kein anderer zeitgenössischer Autor demonstriert, dass die Welten von Naturwissenschaft, Gesellschaftskritik und Trash nahtlos ineinander übergehen können. Und so ist das Buch auch ein Beweis dafür, dass in der Literatur noch immer alles geht."

Musik simultanen Geschehens — von Heinz Ickstadt, Rezensionsforum Literaturkritik.de, Nr. 9, September 2008:

"In den bürgerkriegsähnlichen Konflikten zwischen Arbeit und Kapital in den Minen Colorados, im revolutionsgeschüttelten Mexiko, in der Entfesselung der Elektrizität durch den genialen Nikola Tesla, in grandios–düsteren Fantasien des technologisch Möglichen, in der wissenschaftlichen Erschließung ehemals göttlicher Geheimnisse (des Äthers und des Lichts mit seinen Brechungen und Doppelungen), in alptraumhafter Prophetie des Monsters Megalopolis, in unerklärlichen Begebenheiten (wie etwa dem plötzlichen Einsturz des Campanile von San Marco (1902) oder der mysteriösen Explosion – eines Meteors? – von noch nie gekannter Sprengkraft. Über Sibirien, dem Tunguska Ereignis von 1908) registriert Pynchons Buch die Erschütterungen von Modernisierung und Moderne, die in der Katastrophe des Ersten Weltkriegs kulminierten.

Entsprechend versteht Louis Menand Pynchons Roman "als eine Art Bestandsaufnahme der Möglichkeiten, die einem bestimmten Augenblick der Imaginationsgeschichte inhärent sind." Doch fragt er auch ironisch: "Was hat sich Pynchon wohl bei all dem gedacht?" Um gleich darauf zu antworten: "Offenbar dachte er, was er meistens denkt: nämlich dass die moderne Geschichte ein Krieg ist zwischen Utopismus und Totalitarismus, zwischen Gegenkultur und Hegemonie, Anarchie und Kollektivismus, Natur und Technik, Eros und Thanatos, Sklaven und Herren, Entropie und Ordnung," (Louis Menand: "Do the Math", "The New Yorker", Nov. 27, 2007)."

Der komplexe Text: Das mathematische Spiel der Welten in Thomas Pynchons Roman "Against the Day" — von Sascha Pöhlmann, Rezensionsforum Literaturkritik.de, Nr. 9, September 2008:

"Die vielfach beschworene Zahl von fast 1.100 Seiten der englischen Erstausgabe umreißt die Problemstellung für den Leser nur grob; viel schwerwiegender ist, dass sich diese Seiten nicht mit einer Welt begnügen, sondern stattdessen ein Spiel an Welten und Zeiten darbieten, das selbst die postmoderne Literatur, die ja als besessen von ontologischen Fragen der Weltenerschaffung gilt, so noch nicht gesehen hat. (…) Pynchons Fiktion bedient sich des Imaginären sowohl im Sinn des Fantastischen als auch der Mathematik und verteidigt es sozusagen durch den Querverweis: Während einige Kritiker - wie eingangs erwähnt - einem Roman mangelnden Realitätssinn vorwerfen und Literatur sich offenbar rechtfertigen muss, wenn sie sich in ihrer Imagination von der Welt, in der sie veröffentlicht wird, zu sehr entfernt, käme in der angeblich so nüchternen Wissenschaft der Mathematik wohl niemand auf die Idee, die Beschäftigung mit imaginären Zahlen nur deshalb für Zeitverschwendung zu halten, weil sie streng genommen nicht existieren. Der Literaturkritiker muss sich an dieser Stelle vom Mathematiker erklären lassen, wie vorteilhaft es sein kann, sich eine neue Welt mit neuen Regeln zu denken; Pynchon macht sich dieses Bild der Erweiterung zunutze und gebraucht es offen in "Against the Day" als Variante des Refrains seiner Werke, dass eine Reduzierung der Welt auf ihren status quo immer Resignation bedeutet. Nicht zuletzt ist diese Imagination bei Pynchon immer auch ein politisches Mittel, das sich der ideologisch konstruierten Unmöglichkeit, die Welt anders zu denken, entgegenstellt; eine Realität, die keine Gegenentwürfe mehr zulässt, bedeutet bei Pynchon Erstarrung."

Das Ganze – ein großer Witz — von Dieter Thomä, Literaturen–Kultiversum, S. 52, September 2008:

"Thomas Pynchon verwandelt die Geschichte in einen Karneval und entpuppt sich als naher Verwandter von François Rabelais. Bericht über eine umwegige Lektüre des Romans «Gegen den Tag»."

Unsere liebsten Romane des Jahrzehnts — Von Matthias Wulff, DIE WELT, 27. Dezember 2009:

"Okay, 1600 Seiten klingt schon nach einer Menge Holz, aber das Erstaunliche ist, dass Pynchons dickster Roman auch sein zugänglichster ist. Es fehlt an nichts: Science–Fiction, Abenteuer, Western, Spionage, Anarchie, Poker und Sex, das pralle Leben halt; Pynchons Personal hat aufregende Berufe wie Zauberkünstler, Geheimagenten, Auftragsmörder und "Viehtreiber mit unvollkommen ausgeprägten sozialen Fähigkeiten", von denen mancher erkennen muss, "dass es nicht jedermanns Sache war, die ganze Nacht Kartoffelschnaps zu trinken"."

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