Ottos Weblog April 2005

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Friday, April 01, 2005

Der Tod der amerikanischen Komapatientin Terry Schiavo ist neben der sich verschlimmernden Krankheit des Papstes das beherrschende Thema in den Medien. Jetzt wird das Oberhaupt der römischen Kirche künstlich ernährt, ist aber nicht im Koma, sondern bei Bewußtsein und bleibt es hoffentlich auch bis zu seinem Tod, um sich selbst ein langes Sterben und seiner Kirche ein Schicksal wie das der Angehörigen Terry Schiavos zu ersparen.

Solche extremen Fragen von Leben und Tod gehören nicht in die Politik, und der Einzelfall gehört nicht so in die Öffentlichkeit und in die Medien, wie das bei Terry Schiavo der Fall war. Bei einer Person wie dem Papst ist das etwas anderes. Für ihn beten Millionen Gläubige und sie sollten schon unterrichtet sein, wie es ihrem obersten Priester geht.

Insbesondere ist der Versuch der Rechten und Konservativen in den USA, die mit Hilfe der lautstarken extremen religiösen Minderheiten alles Liberale abschaffen will, abzulehnen. Hätten die Gebrüder Bush nicht die Mehrheitsmeinung im Lande gegen sich gewußt (70 Prozent der Amerikaner lehnen eine Einmischung in solche familiären Fragen ab), hätten sie ihr Sondergesetz sicherlich auch gegen die Gerichtsentscheidungen zugunsten Michael Schiavos durchgesetzt. Aber es ist klar, daß die in den nächsten Jahren freiwerdenden Richterstühle von der Bush–Regierung mit erzkonservativen Vertretern besetzt werden:

"Die Gerichte ließen sich bis zum bitteren Ende nicht einschüchtern. Am Mittwoch weigerte sich der Supreme Court zum nun sechsten Male, den Fall Schiavo anzuhören. Die Zuständigkeit für solche Fragen um Leben und Tod liegt in den USA ganz eindeutig bei den Gerichten und Gesetzgebern der Bundesstaaten. Aber genau das war ja das Ziel der Republikaner – in den Gerichten und Parlamenten der Bundesstaaten liegen die letzten Machtpositionen der Demokraten im Land. Die sollten geschliffen werden, auch wenn dieser Vorstoß eigentlich den Idealen der eigenen Partei widerspricht, die sich seit nunmehr über zweihundert Jahren für die Unabhängigkeit der Bundesstaaten stark macht. (…) Einer der prominentesten Republikaner, der ehemaligen Senator und Botschafter bei den Vereinten Nationen John Danforth geißelte die Spitze seiner Partei am Vortage von Terri Schiavos Tod in einem Essay für die New York Times: »Die Republikaner haben unsere Partei in den politischen Arm der konservativen Christen verwandelt.«" Vom Ende der Vernunft – von Andrian Kreye, SÜDDEUTSCHE ZEITUNG
Oder, wie es im Original heißt:
"I do not fault religious people for political action. Since Moses confronted the pharaoh, faithful people have heard God's call to political involvement. Nor has political action been unique to conservative Christians. Religious liberals have been politically active in support of gay rights and against nuclear weapons and the death penalty. In America, everyone has the right to try to influence political issues, regardless of his religious motivations. The problem is not with people or churches that are politically active. It is with a party that has gone so far in adopting a sectarian agenda that it has become the political extension of a religious movement." In the Name of Politics – by John C. Danforth, NEW YORK TIMES, March 30, 2005.

Saturday, April 09, 2005

Deutschland, die Heimat altertümlicher Pornographie

Der kürzliche Fund 7000 Jahre alter Darstellungen menschlicher Sexualität im Bundesland Sachsen hat eine Debatte darüber entfacht, ob unsere Vorfahren ein wildes, ungezügeltes Sexualleben hatten oder ob sie schon zu Beginn der eigentlichen Menschwerdung strengen, ritualisierten Sexualtabus unterworfen waren. So fragt Matthias Schulz im SPIEGEL:

Wann schämte sich der erste Mensch? Wer erfand das Inzestverbot und die Einehe? Schliefen bei den Neandertalern Oma, Vater und Tochter alle gemeinsam in der Grashütte? Wer diese Fragen beantworten könnte, besäße einen Schlüssel, um das Tor ins Reich der Urzeit aufzustoßen.
Das gefundenen Objekt sei eindeutig eine "Kopulationsszene," doch deren Interpretation ist höchst umstritten:
Aufgrund der neuen Entdeckungen ist ein alter Zwist wieder entfacht. Zwei Lager streiten um ein grundsätzliches Problem. Die Frage lautet: Lebten unsere Vorfahren locker und ungehemmt? Oder war in der Urwelt Askese angesagt? Soziobiologen unterstellen den frühen Hominiden promiske Wurzeln. Liebestoll seien sie durch die Flora gesprungen, einem genetischen Diktat überschießender Hormone folgend. Die "Tabuisten" dagegen nehmen an, dass bereits auf den Urmenschen ein strenges System aus Triebverzicht und Enthaltsamkeit lastete – kein Spaßim Neandertal. Welten treffen da aufeinander. In dem einen Szenario wird gerammelt und geschleckt; die Steinzeit-Frauen, meint die US-Anthropologin Helen Fisher, "schlugen sich ständig mit anderen Partnern in die Büsche" – im anderen Szenario dagegen herrscht die meiste Zeit über tote Hose. Triebstau im Neandertal
Es geht dabei auch um eine Ausstellung, die auf dem Buch 100.000 Jahre Sex von Vincent T. van Vilsteren und Rainer-Maria Weiss (Hg.), Theiss Verlag, Stuttgart basiert, die sich, anscheinend durchaus humorvoll der Frage widmet, "wie toll es die Steinzeitjäger, Römer, Ritter und Neuzeitmenschen trieben."

Beide Seiten haben sicherlich gute Argumente für ihre jeweilige Position, und der Artikel kommt in seinem dritten Teil auch auf die entscheidende Frage zu sprechen: wann ist der "Geschlechtsakt ins Zentrum" des menschlichen Interesses getreten?

Gleichwohl beruht das Hohelied der Schwangerschaft, das die Männer des Gravettien (vor 30.000 bis 24.000 Jahren) sangen, wohl nur auf einer Wissenslücke. Die Kerle hätten schlicht "die biologische Funktion des Sex nicht verstanden", glaubt Jill Cook vom British Museum in London. — ibid
Es scheint unumstritten zu sein, daß die früheren Darstellungen weiblicher Fruchtbarkeit darauf beruhen, daß den Männern während des historischen Matriarchats der Zusammenhang zwischen Sexualität und Fortpflanzung nicht bekannt war. Die Frau wurde verehrt, weil sie das Wunder der Fortpflanzung besaß und ich wette, die Priesterinnen haben lange Zeit über versucht, dieses Geheimnis zu wahren, weil sie wußten, daß die Männer die Herrschaft an sich reißen würden — wie es dann ja auch geschehen ist — wenn die Männer den Zusammenhang erst einmal begriffen haben würden. Dieser Augenblick stellte einen entscheidenden Moment der Umkehrung der bislang geltenden Werte dar, war wahrscheinlich eine wirkliche Revolution im Sinne des Wortes: war es bisher die Vulva gewesen, die verehrt wurde, weil sie Leben gebären konnte, so nahm jetzt der Phallus die privilegierte Position ein, weil er es war, der das Leben in die Vulva pflanzte. Das Patriarchat, das bis heute in weiten Teilen der Welt anhält, hatte begonnen:
Bald aber schwante den Männern offenbar doch eine Beteiligung. Vor etwa 20.000 Jahren brach der Venus-Kult ab. Ein neues Motiv kam in Mode, die "vermischten Bilder": Der Begriff steht für die gemixte Darstellung männlicher und weiblicher Genitalien. … Gleichwohl sind die Bilder von enormer Bedeutung. Viele Forscher sehen in ihnen den Beginn einer neuen Epoche. Umgeben von tropfenden Gletschern, hart am Rande der Sesshaftwerdung habe der Mensch die Verbindung zwischen Zeugung und Geburt erkannt. Deshalb sei der Geschlechtsakt ins Zentrum seines Interesses getreten. — ibid
Das finde ich nun ein wenig kurz gesprungen. Vor allem wird, wenn man den letzten Abschnitt genau liest, stillschweigend der «Mensch» mit dem «Mann» gleichgesetzt, denn nichts aus dem bisher gesagten läßt darauf schließen, daß die verehrten Frauen nicht schon vorher genau wußten, was Sache war. Und so läßt sich auch der Streit zwischen den Tabuisten und den Soziobiologen eventuell beantworten, wenn man sich die phallozentrische Weltsicht des Artikels genauer ansieht. Da werden Darwin und Freud bemüht, der eine mit einer Aussage, die den frühen Menschenclan wie ein Rudel Löwen mit einem Alpha–Männchen beschreibt, der andere mit seiner Theorie über den "Totemismus," das "älteste Sittengesetz der Welt":
Statt Lust und Erotik, so Darwins Vermutung, tobte in der Altsteinzeit ein Dauerstreit. Die stärksten Macker legten sich einen Harem zu. Wer leer ausging, machte auf schwul oder begann (wie die Schimpansen) zu onanieren. Oder er sann auf Rache und ermordete den Anführer. (…) Um den permanenten Unfrieden zu stoppen und überhaupt im sozialen Verband leben zu können, glaubte auch Sigmund Freud, habe das aufrecht gehende Wesen das älteste Sittengesetz der Welt ersonnen: den Totemismus. Dieses System sorgte zwar für Ruhe und Ordnung. Zugleich aber bürdete es dem Einzelnen einen horriblen Triebverzicht auf. — ibid
Das Paläolithikum begann vor 2,4 Millionen Jahren und endete etwa 8.000 v.Chr. mit dem Ende der letzten Eiszeit, als die Menschen begannen, seßhaft zu werden. Also ist Darwins Zeitangabe bemerkenswert unpräzise und sagt zudem nichts über das Wissen um die biologische Funktion des Sex aus. Sein Szenario kann durchaus vordergründig richtig sein und dennoch vielleicht die Tatsache, daß letztlich das Alpha–Weibchen (wie bei den Löwen) die Fäden des Rudels zog, völlig außer Acht lassen.

Ruhe und Ordnung sind ja schön, aber geht es nicht vielleicht eher um Machtinteressen, die gewahrt sein wollen? Daß der Triebverzicht im Patriarchat stets zur Machterhaltung mißbraucht worden ist, ist offensichtlich, und aus den Zeiten des Matriarchats fehlen uns die Quellen. Der Totemismus hat prinzipiell zunächst aber nichts mit Sexualität zu tun, sondern ist eine Art Naturreligion, die über den ganzen Planeten verbreitet war:

Der Name Totem stammt aus dem Algonkin im südlichen Kanada und bezeichnet die Verwandtschaft von Menschen mit einer Tiergruppe, in manchen seltenen Fällen mit einer Pflanzengattung oder irgendwelchen Gegenständen. Man unterscheidet einen Individuen-, einen Gruppen- und einen Geschlechtstotemismus. Letzterer, nur aus Australien bekannt, bedeutet, dass Männer und Frauen eines Stammes je ihr eigenes Totem haben. Wesentlich ist bei jeder Form des Totemismus, dass man seine Abstammung von dem Totemtier ableitet und sich mit aller zu dieser Art gehörigen Tieren und den Menschen, welche dieselbe Abstammungseinheit aufweisen, verwandt fühlt. Diese Verwandtschaft wird so real empfunden, dass man sich mit dem Totemtier identifiziert Daraus folgt, dass es nicht gegessen werden darf. Eine Tötung findet selten statt und ist dann mit Sühneriten verbunden. Das Verwandtschaftsgefühl wirkt sich meistens auch darin aus, dass innerhalb der Totemgemeinschaft nicht geheiratet werden darf. Nachwirkungen aus totemistischen Vorstellungen zeigen sich in der Meidung (Tabu = [polynesisch] unverletzlich, unantastbar) verschiedener Speisen und in manchen Namen. Der Totemismus ist keine isolierte Erscheinung. sondern Teil einer religiösen Vorstellungswelt, die man als Umweltverbundenheit bezeichnet kann. Beispiele: das Hervorkommen der mythischen Ahnen aus dem Baum omumborombonga bei den Herero in Namibia, die Wertschätzung der Bananenstaude bei ostafrikanischen Völkern oder allgemein die Rolle des Lebensbaumes. Totemismus
Es spricht zwar nichts dagegen, daß auch schon zu Zeiten des Matriarchats Totems verehrt wurden, erklärt aber nicht, was dies über die Geschlechterbeziehungen unserer frühen Vorfahren aussagt.

Witziger wird die ganze Geschichte im GUARDIAN kommentiert:

The discovery in question is a stone–age figurine — well, two to be precise, since there’s a female one as well. At 7,200 years old, it’s the earliest pornographic scene on record. It was found in Germany, the home of old–fashioned pornography — I’m told — so it probably represents a stone–age handyman who finds a young woman naked in her cave and, well, one thing leads to another. There have been discoveries of female fertility symbols in the past, but this figurine is thought to be the first to display male sexual organs, so you can see why I had to write about it. It may not be topical, but it’s satyr. — Rebecca Front
Wobei auch das zweite Thema von Rebecca Fronts Kommentar ziemlich lesenswert ist, in dem sie sich einer neuen "Mode" widmet, die ihre eigene Sprache erfindet, der:
"polyamory", a kind of free love where you have lots of partners, but you are emotionally committed to each of them. (…) Now I like to think of myself as a liberal — indeed my position here rather depends on that — so if the phrase "freakish aberration against human nature" should accidentally appear at this point, I would ask you to ignore it, and read instead "valid lifestyle choice". There are several things which suggest to me the flaky nature of polyamory. One is the unhappy coupling of a Greek prefix with a Latin suffix; but another is the development of a new vocabulary to help express the curious, muddled emotions that such a … valid lifestyle choice would engender. (…) The most bewildering new word, however, is "frubbly", which describes "the positive feeling of seeing your partner with another lover". I cannot imagine having occasion to use the word "frubbly", because I cannot ever envisage being generous, self–sacrificing or stupid enough to feel positive in such a scenario. I think what the polyamorists need instead is a word with a Greek prefix and a Latin suffix which sums up putting a brave face on it, low self-esteem and wishing you’d stayed home to watch a German porn film. — ibid
Ist es nicht schön? Da fliegen wir zum Mond und sonstwohin, die alten Fragen können noch immer nicht beantwortet werden und die Weltpresse rät uns, zuhause zu bleiben und einen "deutschen Porno" zu gucken. Nein danke, morgen kommt "Men in Black II". Außerdem kenne ich keine deutschen Pornos und lese zudem gerade Hubert Selbys Last Exit to Brooklyn und das kann einem doch schon irgendwie die Lust auf Lust nehmen und man wünscht sich, ein bischen jedenfalls, in die Höhle zurück.

Tuesday, April 12, 2005

"An inability to distinguish between the risks to which people expose themselves and the risks to which they expose others appears to be the defining disease of modern capitalism." George Monbiot, THE GUARDIAN, April 12, 2005.

Thursday, April 14, 2005

"Was ist eigentlich aus dem Gedanken geworden, dass man sein Geld auch ehrlich verdienen könnte?"
Robin Detje
Dafür müßte zuerst einmal Geld da sein, das verdient werden kann. Das Problem aber bei Zeitungen (und darum geht es in dem Interview) scheint mir doch darin zu bestehen, daß immer weniger Leute –ich selbst eingeschlossen– Wert darauf zu legen scheinen, sich durch unökologisches und teures bedrucktes Papier zu informieren, daß also folglich die Werbeetats der großen Firmen zunehmend auf das Internet verlagert werden, weil die bequemen Leute sich eben dort informieren, wo sie nicht nur eine, sondern viele Zeitungen zur Verfügung haben.

Saturday, April 16, 2005

Ich gebe ja zu, daß ich relativ regelmäßig die "Heute in den Feuilletons"–Seite im SPIEGEL lese und so an manche meiner Themen und Zitate komme. So eine Vorauswahl aus den kulturell erhellenden Begebenheiten des Tages ist doch hilfreich, denn wer hat schon die Zeit, alle maßgeblichen Zeitungen nach interessanten Aussagen zu durchforsten.

Die heutige Ausbeute umfaßt einen alten Papstwitz aus der FRANKFURTER RUNDSCHAU und ein Interview mit Shirley Manson (ist der Name echt oder Effekthascherei, eine Mischung aus Shirley Temple und Charles Manson?), der Sängerin der Band "GARBAGE."

"Sie haben einen neuen Papst gewählt." – "Und? Wen?" – "Sie ist schwarz." Regina Ammicht-Quinn,
Weil ich ja bei der aktuellen Popmusik nicht mehr auf dem Laufenden bin, kenne ich die Band "Garbage" gar nicht. Ich weiß nur, daß sie in den Neunzigern recht erfolgreich gewesen sein sollen (was mir entgangen ist) und daß einer dabei ist, der auch bei "Nirvana" seine Finger im Spiel hatte. Die habe ich gerade noch so am Rande mitbekommen. Mittlerweile höre ich ja wieder viel Independent, weil es einfach so viele gute Bands, zum Beispiel bei 3WK, gibt. Aber ich habe mir abgewöhnt, von einer Popband zu erwarten, daß sie den Rock’n Roll neu erfindet. Aber ich erwarte, daß es keine solchen Idioten wie bei diesen dämlichen Casting–Shows sind, wenn ich ihnen meine Zeit widmen soll. Und die Leute von "Garbage" haben im Interview mit der Berliner Zeitung wenigstens etwas zu sagen:
In dem Song "Boys Wanna Fight" geht es um den Irak-Krieg.
Shirley Manson: Oh ja, um meine Frustration über die Bush-Regierung und die Koalitionskräfte. Ich fühlte mich machtlos und angeekelt. Ich konnte nicht verstehen, warum wir schon wieder denselben Irrtum begingen, Gewalt mit Gewalt zu begegnen. Mit der Verbreitung von Chaos lösenn wir gar nichts.
Hat das, wie der Song suggeriert, auch mit dem Unterschied zwischen Männern und Frauen zu tun?
Shirley Manson: Ich glaube schon. Natürlich gibt es Millionen Männer überall auf der Welt, die keine Gewalt anwenden wollen. Aber ich glaube sehr wohl, dass Macht für Männer in Machtpositionen Aggression bedeutet. Für mich bedeutet sie Mitgefühl und Selbstbeherrschung. Manchmal ist der weibliche Weg, mit Konflikten umzugehen, wesentlich effektiver.
Steve Marker: Ich fühlte mich auch vollkommen entfremdet, aber ich hoffe, dass die Welt sich daran erinnert, dass die andere Hälfte Amerikas gegen den Idioten gestimmt hat. Wir sind nicht alle Deppen.
Macht, das bedeutet für mich Mitgefühl
Was mich einerseits ungemein beruhigt, woran ich aber auf der anderen Seite auch nie gezweifelt habe.

Wo ich gerade bei Musik bin: am Donnerstagabend habe ich mir einen recht guten Überblick über die Wave und Gothic Musik verschaffen können. Im Oldenburger Lokalsender O–Eins gab es eine Sendung zu einem Festival, bei dem zu Pfingsten in Leipzig 167! Bands auftreten sollen, das 14. WAVE-GOTIK-TREFFEN 2005 — und mir hat sogar einiges davon gefallen.

Tuesday, April 19, 2005

Mach dir mal nichts vor hier auf deinem Planeten
Deine Mauern im Gehirn kannste nämlich wegbeten – Nina Hagen

"… Wie viele verschiedene Glaubenslehren haben wir in den vergangenen Jahrzehnten kennen gelernt, wie viele ideologische Richtungen und wie viele Denkweisen (…) Das kleine Boot des Denkens vieler Christen ist nicht selten von diesen Wellen geschüttelt und dabei von einem Extrem ins andere geworfen worden: vom Marxismus zum Liberalismus bis hin zum Libertinismus; vom Kollektivismus zum radikalen Individualismus; vom Atheismus zu einem vagen religiösen Mystizismus; vom Agnostizismus zum Synkretismus und so weiter. Jeden Tag werden neue Sekten geboren und dabei verwirklicht sich, was der Heilige Paulus über die Täuschung der Menschen sagt (…). Einen klaren Glauben nach dem Credo der Kirche zu haben, wird oft als Fundamentalismus abgetan. Während der Relativismus, bei dem man sich von einer Glaubenslehre zur anderen hinreißen lässt, als die einzige, den heutigen Zeiten entsprechende Verhaltensweise erscheint. So entsteht eine Diktatur des Relativismus, die nichts als endgültig anerkennt und als das letzte Maß aller Dinge nur das eigene Ich und dessen Gelüste versteht …" Kardinal Joseph Ratzinger
Auch wenn man ein Kardinal ist, kann man Dinge falsch verstehen; und auch der Papst ist nicht unfehlbar. Und der gute Ratzinger hat hier wohl willentlich etwas falsch verstanden. Der Relativismus ist keine Ideologie, bei der "man sich von einer Glaubenslehre zur anderen hinreißen lässt," sondern eine:
"(…) philosophische Denkrichtung, die davon ausgeht, dass es keine absolute Wahrheit und keine absoluten ethischen Werte gibt." Wikipedia
Den Relativismus verkürzt bewußt falsch so zu beschreiben, wie Ratzinger es tut und ihn lediglich als ein Glaubens–Hopping oder Zapping zu verstehen, wäre ungefähr so, als würde ein Alien oder ein Agnostiker das Christentum als Religion beschreiben, die durch "an Bäume genagelte Menschen" definiert wird. Hoffentlich wird der Mann nicht der neue Papst, da könnten einem die Christen glatt leidtun.

Und daß mir keiner daherkommt und sagt, die Papstwahl ginge mich als agnostischen Lutheraner nichts an: erstens reden der Papst und die Bischöfe ja auch über Sex und zweitens wird man mit dem Thema so vollgetextet, daß ich getrost davon ausgehen darf, daß mein eigener unmaßgeblicher Beitrag zur Meinungsbildung nicht weiter dumm auffällt. Und schließlich und endlich haben die gewöhnlichen Katholiken bei der Papstwahl ja auch nichts mitzureden und äußern dennoch auf jedem Sender ihre Wünsche.

Wednesday, April 20, 2005

"Der weiße Rauch, der Glockenklang, der Purpurvorhang der gelüftet wurde. Die Welt hielt den Atem an, als die Kardinäle der Katholischen Kirche den neuen Stellvertreter Christi auf Erden kürten. Wie anders war dieses Ritual als die säkularen Zirkusnummern, die ansonsten die Schlagzeilen dominieren." Matthias Matussek
Dem kann ich kaum zustimmen und die Aussage wird im weiteren Artikel auch in keiner Weise begründet. Inwiefern war das Konklave denn etwas anders als "Big Brother"? Ich finde im Gegenteil die strukturellen Übereinstimmungen zwischen beiden "Zirkusnummern" bemerkenswert.

Thursday, April 21, 2005

Es geht ein Rauschen durch den Blätterwald seit der Wahl Benedikt XVI. Die britische Yellow Press hat herausgefunden, daß Ratzinger als Junge in der HJ war und nennt ihn "God’s Rottweiler," aber interessanter ist die Auseinandersetzung zwischen den Intellektuellen. So schreibt Mariam Lau von der Tageszeitung DIE WELT heute in einem Gastkommentar im SPIEGEL:

"Habemus Papam. Viele Katholiken, die versuchen mit den Vorgaben ihrer Kirche zu leben, sind erschüttert über die Wahl Kardinal Ratzingers. Dagegen ergehen sich manche Intellektuelle in Unterwerfungsgesten und Selbstgeißelungsritualen, die einen Schiiten in Kerbala vor Neid erblassen lassen würden. Begeistert wird Ratzingers Schelte der "Diktatur des Relativismus" gerade von denjenigen applaudiert, die vom Pluralismus der Meinungen leben." Kein Kniefall vor Ratzinger!
Gut, daß mir gerade diese Stelle in Ratzingers Worten sowie deren Unlogik und Inkonsistenz so richtig unangenehm aufgefallen und aufgestoßen war.
"Mag schon sein, dass im Mittelalter noch jeder gewusst hat, wo sein Platz ist, aber wollen wir deshalb wirklich gleich Ratzingers Relativismus-Kritik lobpreisen? Selbst die liberale "Zeit" erkennt heute in Papst Benedikt XVI. einen Bündnispartner im Antikapitalismus und gegen den Irak–Krieg und will mit ihm "die Vernunft in die Schranken weisen". Da drängt sich vollends der Eindruck auf, hier solle das Papamobil den versenkten Karren der Frankfurter Schule aus dem Morast ziehen — frohes Schaffen!" — ibid
So, tut das DIE ZEIT ? Schauen wir doch mal nach, was da unter "Der neue Ratzinger: Warum Papst Benedikt XVI. kein unerbittlicher Zuchtmeister mehr sein kann" steht:
"Niemand weiß besser, dass seine Institution auf dem Weg zu einer globalen Kirche mit vielen Zentren ist, als Joseph Ratzinger selbst. Sie entwickelt sich zu einer machtlosen Gegenmacht auf der internationalen Bühne, zu einer Stimme im Widerstreit der Nationen — inmitten einer friedlos globalisierten und schreiend ungerechten Moderne. Auf die neue Rolle der polyzentrischen Weltkirche hat Ratzinger mit Sätzen reagiert, die selbst säkulare Ohren als Sensation empfanden. Zu Recht kritisierte er eine »ungebändigte Weltgesellschaft«, in der politische Macht und kapitalistischer Markt zu einer Art Pseudoreligion werden, die Fragen nach Sinn und Gerechtigkeit für obsolet erklärt. Und kurz nach dem Irak–Krieg, den er als verwerflich empfand, forderte Ratzinger, politische Macht müsse unter das Maß des Rechts gestellt werden. »Nicht das Recht des Stärkeren muss gelten, sondern die Stärke des Rechts.« In diesen Worten steckt nichts Geringeres als der Anspruch, die Kirche solle auf eine Weltordnung hinwirken, in der internationales Recht »das Vehikel der Gerechtigkeit« ist und nicht das »Privileg derer, die die Macht haben, das Recht zu setzen.« Damit nicht genug. Ein Irrlauf der Vernunft und ein Missbrauch menschlicher Macht droht für Ratzinger auch durch den unbelehrbaren Naturalismus der Lebenswissenschaften. Sie verstünden den Menschen als manipulierbare Biomasse. Damit aber mache er sich selbst zum Produkt. »Der Mensch ist in die Brunnenstube der Macht hinuntergestiegen. Die Versuchung, nun erst den rechten Menschen zu konstruieren, die Versuchung, Menschen als Müll anzusehen, ist kein Hirngespinst fortschrittsfeindlicher Moralisten.« Deshalb sei es an der Zeit, dass die Religion die Vernunft in die Schranken weist. So wie es umgekehrt das Recht der Vernunft sei, einer gewalttätigen Religion den Spiegel vorzuhalten." Thomas Assheuer
Kapitalismuskritik ist, wie wir gerade bei der SPD sehen, recht wohlfeil, wenn Wahlen anstehen, und jeder anständige Kirchenfeind würde jetzt auf den unglaublichen Reichtum gerade der katholischen Kirche verweisen. Den Papst als Verbündeten gegen das neoliberale Programm zu haben, wäre schön. Allein, mir fehlt der Glaube.

Etwas anderes ist da der klare Antikriegskurs. Da war schon Karol Woityla eindeutig. Nur hat er weder Bush aufhalten noch verhindern können, daß selbst Soldaten aus erzkatholischen Ländern wie Italien in den Irak gegangen sind. Da stellt sich schon die Frage nach der tatsächlichen Relevanz der Kurie in politischen Fragen.

Friday, April 29, 2005

Ein Blues für den Papst von Stan Ridgway: Buried the Pope (Blues for John Paul) — Rechtsklick zum direkten Download.

Saturday, April 30, 2005

Interessant ist ja die Ablehnung des Pflanzen–Gentechnik–Gesetzes der Bundesregierung durch den unionsregierten Bundesrat:

Das Gentechnik–Gesetz der Bundesregierung sieht eine klare Trennung von Gen–Getreide–Feldern von konventionellem Anbau vor. Landwirte müssen etwa bei der unbeabsichtigten Kreuzung von ihrem Gen–Mais mit konventionellen Getreide voll haften. Zudem ermöglicht es weitgehenden Einblick in das Standortregister, so dass feststellbar ist, wo Gen–Getreide angebaut wird. Reuters
Eigentlich ist das ja eine klare Angelegenheit: wer einem Anderen einen Schaden zufügt, haftet dafür. Wenn ein Bauer einem anderen seine Jauche auf das Spargelfeld kippt – und sei es aus Versehen – muß er bezahlen. Nur im Falle genetisch veränderten Saatgutes soll das mit einem Mal nicht so sein. Da soll der Geschädigte den Schaden klaglos hinnehmen und muß dann eventuell später auch noch Schadenersatzklagen durch den Hersteller der veränderten Sorten befürchten, wenn seine Felder, die in der Nähe manipulierter Felder liegen, im nächsten Jahr auch veränderte Sorten hervorbringen, für die er ja keine Lizenzen erworben hat.

Telepolis berichtet jetzt unter dem Titel "Haltet den Dieb!" von diversen Fällen aus den USA, wo genau dies geschehen ist:

Der Gentech-Multi Monsanto drangsaliert, bespitzelt oder verklagt US-Bauern und erwirtschaftet damit Millionen Dollar an Zusatzeinnahmen. Brigitte Zarzer
Wenn man den Artikel liest, kann man Frau Künast doch nur zustimmen und man muß sich fragen, ob die Konservativen von allen guten Geistern verlassen sind, wenn sie uns diesen Heuschrecken–Kapitalisten noch weiter aussetzen wollen. Gentechnik ist eine schiefe Ebene; ist man erst einmal drauf, gibt es kein Zurück mehr. Spätestens die US–Gerichte werden dafür sorgen, und um dem vorzubeugen, sollten das europäische und das nationale Recht so aussehen, daß der haftet, der für einen Schaden verantwortlich ist und nicht umgekehrt derjenige, der ihn erleidet.

Ein wesentlicher Punkt dabei ist, ob es überhaupt Patente auf das Leben geben sollte:

Monsantos Gen–Raps verseucht seit Jahren die Felder im westlichen Kanada, weil es unmöglich ist, den Gen–Pollen aufzuhalten. Monsanto hat eine unkontrollierbare Pflanze eingeführt, ohne gegenüber den Landwirten oder der Öffentlichkeit dafür verantwortlich zu sein. Mit dem Urteil werden Bauern Monsanto ausgeliefert: Ohne die Kontamination verhindern zu können, sollen Bauern plötzlich Gebühren für Gen–Pflanzen bezahlen, die sie nie auf ihren Äckern haben wollten. Der Fall zeigt exemplarisch, welche Folgen ein zügelloses Patentrecht haben kann. Und er macht deutlich, welche Gefahr von Firmen wie Monsanto ausgeht, wenn sie je die Herrschaft über das Saatgut erlangen sollten. Percy Schmeiser verliert gegen Monsanto
Man muß kein religiöser Mensch sein, um diesen Umgang mit dem Leben abscheulich zu finden, aber das gerade Parteien mit dem grossen "C" im Namen moralisch–ethisch so verkommen sind, daß sie nur für den schnöden Mammon solchen Auswüchsen Vorschub leisten wollen und gegen die Interessen der eigenen Bevölkerung handeln, wie das aktuelle Beispiel des Bundesrates zeigt, kann einen schon erschüttern. Es hat wahrlich nichts mit Luddismus zu tun, wenn man eine klare Trennung und Kennzeichnung verlangt. Die Bundesregierung sollte, da es jetzt ja wohl kein Gentechnikgesetz geben wird, eine Richtlinie erlassen, daß auch in der Landwirtschaft, die mit manipulierten Sorten arbeitet, die ganz normalen Grundsätze unseres Zivilrechts gelten. Das würde völlig reichen, und wäre nach meiner Rechtsauffassung auch nicht durch den Bundesrat zustimmungspflichtig.

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